Kolumne Laufen: Eventlauf? Wir sind immer dabei!

Wir Läufer sind gesellige Typen. Auch wenn wir nicht immer danach aussehen.

Es sind nur noch wenige Tage zum läuferischen Höhepunkt in Tübingen. Der Stadtlauf am Sonntag. 7,5 km lang, drei Runden durch die Altstadt. Entgegen der neuesten Meldung aus der Läuferszene ist der Wettbewerb ausgebucht. Es gibt keinen einzigen Startplatz mehr. Und wie immer hat auch die Läuferzahl rund um Tübingen im Wald in den letzten Wochen zugenommen. Es gilt sich schließlich vorzubereiten. Doch heutzutage beschränkt sich die Lauferei zeitlich nicht mehr auf ein solches Laufereignis. Nein, heutzutage wird rund um das Jahr und rund um die Uhr gelaufen.

Zum Beispiel Wien: Dort laufe ich immer auf der Hauptallee im Prater. Wenn Sie nach Wien kommen, müssen Sie unbedingt dort einmal vorbeischauen. Sie werden dann den Eindruck haben, ganz Wien bewegt sich im Prater. Nur einmal war ich etwas verunsichert. Es war in einer kalten Winternacht am 27. 12. Ich kann mich deshalb so gut daran erinnern, weil ich über die Weihnachtstage überdurchschnittlich gevöllert habe - auch das kommt bei mir vor - und ich deshalb der besseren Verdauung wegen zum Laufen ging. Es war 22.30 Uhr.

Ganz enttäuscht kam ich kurz vor Mitternacht nach Hause und sagte meiner Frau: "Ich muss mich nach einem neuen Job umschauen, der Laufboom ist vorbei. Nix ist mehr mit Laufexperte." In dieser Winternacht hatte ich nur 100 Läuferinnen und Läufer gezählt, auf einer 4 km langen Strecke. Bei meinem Besuch im Mai war das schon wieder anders und Wien hat neue Motivation gesammelt: Zwischen 16 und 21 Uhr liefen tausende Menschen die Hauptallee auf und ab. Seit diesem Jahr wird sogar der Autoverkehr umgeleitet, die Buslinien eingeschlossen, so dass die Anwohner einen langen Umweg machen müssen, um nach Haus zu kommen. Alles wird klaglos hingenommen, den Läufern zuliebe.

In Hannover war die halbe Strecke rund um den Maschsee nicht beleuchtet. Stellen sie sich das einmal vor. Dunkel. Es fehlten drei Kilometer Beleuchtung. Dies wird nun behoben. Selbstverständlich mache ich auch dort meine nächtlichen Kontrollläufe und halte sie auf dem Laufenden. Und liebe Hannoveraner, enttäuscht mich bitte nicht.

An diese Stelle muss ich ein großes Kompliment nach Hamburg schicken. Dort saß ich einmal weit nach Mitternacht an einem Kiosk an der Außenalster. Nieselregen, klar. Mit meinem Bierpartner wettete ich, dass in weniger als drei Minuten ein Läufer vorbeikommen würde. Er hielt dagegen. Es war noch nicht einmal eine Minute vergangen, da trabte schon ein älterer Herr vorbei. Eingemummt im Regendress und Schirmmütze. Ja, liebe Leute, das ist Sport. Großer Sport sogar und ich bekam mein zweites Bier.

Wir Läufer sind zwar sehr gesellige Typen - die allermeisten auf jeden Fall, auch dann, wenn sie ihnen mit einem sehr verbissenen Gesichtsausdruck entgegenkommen -, doch viele lieben es, auch manchmal ganz allein unterwegs zu sein. Zumindest ist das bei mir der Fall. Neulich war ich in Innsbruck. Super, dachte ich, da schau ich doch beim "Goldenen Dachl" vorbei. Doch die Menschenmassen in der Stadt schreckten mich ab und so entschied ich mich für einen Berglauf. Zwei Stunden und 1.200 Höhenmeter. Es war mein allererster Berglauf und ich muss sagen, wundervoll. Bitte sagen Sie jetzt nichts. Die Tour war natürlich so angelegt, dass ich am Ende eine Berghütte zum Einkehren vorfand. Mit zwei verwegenen Bergfaxen aß ich dort Mittag. Müde und stolz vom Lauf, einsam zwar, doch ruhig, ein toller Bergblick. Was will man mehr?

Zum Schluss nun endlich die neueste Meldung also aus der Laufszene: Teilnehmerschwund bei Volksläufen! Ist der Laufboom zu Ende? Mitnichten, er geht erst richtig los. Gestern hörte ich ein Gespräch beim Bäcker. "Laufen sie auch mit beim Stadtlauf?", fragt die Kundin die Verkäuferin. "Nein". -"Aber ich sehe sie doch immer im Wald." - "Am Anfang bin ich jedes Jahr mitgelaufen. Aber irgendwie wird das zum Stress. Jetzt brauche ich das nicht mehr." - "Sie sind darüber hinaus?", fragt die Kundin ganz ungläubig und fügt hinzu. "Wie schön."

DIETER BAUMANN

LAUFENFragen zum Boom? kolumne@taz.de Morgen: Jan Feddersens PARALLELWELTEN

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