McCains Aufschwung geht zu Ende: Obama profitiert von Bankenkrise

Zwei Wochen nach den beiden Parteitagen beherrscht die Krise der Finanzmärkte den Wahlkampf - und da zeigt sich der Republikaner John McCain gänzlich widersprüchlich.

Hat in den Umfragen wieder aufgeholt: Demokrat Barack Obama. Bild: dpa

Aufatmen im Obama-Lager: Der demokratische Kandidat für die US-Präsidentschaftswahlen am 4. November hat seinen Rückstand zum Konkurrenten, dem Republikaner John McCain aufgeholt. In zwei am Donnerstag veröffentlichen Meinungsumfragen wurde deutlich: McCains Aufschwung durch die Ernennung von Alaskas Gouverneurin Sarah Palin als Vizekandidatin scheint an Kraft zu verlieren. Laut der Umfrage von Reuters/Zogby liegt Oabama inzwischen wieder mit 47 Prozentpunkten vor McCain mit 45 Prozent. Allerdings warnten die Meinungsforscher vor zu viel Optimismus: Der Abstand von zwei Prozentpunkten läge im Bereich der statistischen Fehlerquote.

Auch die Umfrage der New York Times zusammen mit CBS sieht das Rennen wieder dort, wo es vor den beiden Megaparteitagen war: 48 zu 43 für Obama. Demzufolge hätte John McCain erneut Schwierigkeiten, sich als den Agent des Wandels zu präsentieren, egal, wie beharrlich er versucht, sich rhetorisch von Washington und der Regierungsleistung seiner Partei zu distanzieren. Nur 37 Prozent der Befragten glauben, dass McCain in Washington etwas verändern würde, hingegen trauen 65 Prozent Obama zu, der Kandidat des ersehnten "Change" zu sein.

Diese neue Wasserstandsmessung konnte jedoch kaum darüber hinwegtäuschen, dass angesichts der heftigen Krise an der Wall Street beide Kandidaten noch nicht ihr Fahrwasser gefunden haben. Mittlerweile sei für die Hälfte der Befragten die Wirtschaft das wichtigste Thema dieser Wahl, so Zogby. Laut seiner Umfrage trauten dabei 47 Prozent McCain mehr zu, 45 Prozent Obama.

Doch in einer Woche, in der jeder Morgen neue Horrormeldungen des Zusammenruchs bringt, erscheinen Umfragedaten der vergangenen Woche alt. Wahlanalysten sind sich sicher, dass die Wirtschaftskrise Obama wieder Auftrieb verschaffen kann. Denn mit Lehmann Brothers und Bankenpleiten rücken wieder wichtigere Themen in den Blickpunkt der öffentlichen Debatte als Sarah Palins Sonnenbank (in ihrem Keller) und ihre Rezepte für Elchburger.

Noch suchen beide Kandidaten nach eingängigen und attraktiven Formulierungen ihrer Standpunkte in der aktuellen Krise. Am Montag preschte Barack Obama vor und machte seinen Konkurrenten aufgrund seiner "Philosophie" der Staatsferne und des Laissez-faire für die Bankenkrise mitverantwortlich. McCain fand noch keine schlüssige Antwort, dafür aber viele Sätze. Erst sagte er, die US-Wirtschaft stehe auf einem "starken Fundament", was angesichts der Megakrise mehr als schlecht formuliert wirkte. Am Dienstag dann war sich McCain sicher, dass "wir nicht die Steuerzahler den Versicherer AIG retten lassen können". Nur um am Mittwoch dann das Gegenteil davon per Pressemitteilung zu loben.

Während McCain bei Wahlveranstaltungen von Ohio bis Florida nun alle republikanischen Register zog und Filz und Eliten den Kampf ankündigte, schien er dennoch grundsätzlich nur sagen zu wollen - oder zu können - dass die sogenannten Earmarks, also das von Abgeordneten beantrage Geld für Lieblingsprojekte in ihren Wahlkreisen, das eigentliche Problem des Erdbebens an der Wall Street seien. Earmarks, das ist das Lieblingsthema von John McCain, hat aber, wie Wirtschaftsexperten Haare raufend feststellen, mit dem aktuellen Kollaps des US-Finanzmarkts wenig zu tun.

Während die Republikaner noch nach dem Kompromiss suchen zwischen ihrem Ruf nach möglichst wenig Staat und dem nach dringend benötigter stärkerer Regulierung der Finanzmärkte, gab Sarah Palin ein weiteres ihrer seltenen Interviews. Dem konservativen Sender Fox sagte sie, die Wirtschaft sei insgesamt ein "Chaos", und zwar infolge von "Korruption an der Wall Street" und der "Verletzung des Vertrauens der Öffentlichkeit". Die Vizekandidatin zeigte sich noch unbeirrt skeptisch gegenüber Rettungsaktionen der öffentlichen Hand: "Mir gefällt die Idee nicht, dass Steuerzahler diesen Konzernen aus der Malaise helfen." Am Abend zuvor hatte ihr Parteifreund George W. Bush jedoch genau das getan, nämlich die 85 Milliarden Dollar teure Rettung des Versicherungsgiganten AIG veranlasst.

Obama machte sich die Orientierungslosigkeit der Konkurrenz geschickt zu Nutzen. Er verspottete den Vorschlag McCains, hinsichtlich der Krise zunächst im Kongress eine Kommission zu bilden. Das sei der "älteste Trick" in Washington. Dann fügte er hinzu: "Das hier ist nicht 9/11. Wir wissen, wie wir in den Schlamassel hineingeraten sind. Wir brauchen eine Führung, die uns da rausholt. Ich werde das machen, John McCain nicht."

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