Strengere EU-Abgasnormen: Politiker bremsen Autolobby

Der Umweltausschuss des EU-Parlaments hat sich für konsequente Klimagrenzwerte ausgesprochen. Autobauer müssen sich ab 2012 auf höhere Strafzahlungen einstellen.

Weniger ist mehr: Ab 2012 sollen Autos strengere Abgasnormen erfüllen. Bild: ap

BRÜSSEL taz Die große Koalition der Freunde der deutschen Autoindustrie ist vorerst geplatzt. Gestern lehnte der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments überraschend mit deutlicher Mehrheit einen Kompromiss ab, den der sozialistische Berichterstatter Guido Sacconi mit der konservativen Fraktion geschlossen hatte. Damit wären die Pläne der EU-Kommission, ab 2012 strenge Abgaswerte für Neuwagen vorzuschreiben, verwässert worden. Da 46 der 65 Ausschussmitglieder gegen den Kompromiss stimmten, ist davon auszugehen, dass auch Teile der konservativen Fraktion die Schonfrist für deutsche Autobauer beenden wollen.

Der Ausschuss entschied, dass der Schadstoffausstoß sämtlicher ab 2012 produzierter Neuwagen durchschnittlich nicht höher sein darf als 130 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer. Weitere zehn Gramm sollen durch sogenannte Ökoinnovationen wie reibungsärmere Reifen und durch Agrotreibstoff eingespart werden. Dem Vorschlag, die neuen Grenzwerte stufenweise bis 2015 einzuführen, erteilte der Umweltausschuss eine Absage. Das Stufenmodell, bei dem jeder Hersteller selbst hätte entscheiden können, welche Typen seiner Flotte er auf die Sparziele anrechnen lässt und welche nicht, hätte die Gesetzgebung zur Farce werden lassen.

Auch die von der EU-Kommission vorgeschlagenen Strafzahlungen, die sowohl vom Industrieausschuss als auch im Sacconi-Kompromiss drastisch gekürzt worden waren, schrieb der Umweltausschuss wieder in den Text. Beginnend mit 20 Euro pro zusätzlichem Gramm CO2 2012 sollen sie 95 Euro im Jahr 2015 betragen. Für 2020 hat der Umweltausschuss die ökologische Latte nochmals hochgelegt und schreibt 95 g/km als Durchschnittswert für die gesamte Neuwagenproduktion vor.

Die grüne Abgeordnete Rebecca Harms bezeichnete das gestrige Abstimmungsergebnis gegenüber der taz als "Supererfolg. Aber die eigentliche Auseinandersetzung liegt noch vor uns. Der Industrieausschuss und die hinter ihm stehende Autolobby werden nicht lockerlassen." Bei der Plenarabstimmung im November setzt Harms "auf die Abgeordneten, die nicht die deutsche Automobilindustrie zu Hause sitzen haben. Die sehen nicht ein, dass sie etwas anderes beschließen sollen, als sie in ihren Klimaschutzresolutionen immer versprechen."

Falls das Plenum des Europäischen Parlaments im November das Votum des Umweltausschusses bestätigt, gehen die Abgeordneten mit einer klaren klimapolitischen Position in die Verhandlungen mit dem Rat. Das würde denjenigen Mitgliedsländern den Rücken stärken, die sich von Merkel und Sarkozy vor den Kopf gestoßen fühlten. Im Juni hatten die beiden Staatschefs sich auf schwächere Grenzwerte und geringere Strafen geeinigt und damit den deutsch-französischen Motor in einer Weise aufheulen lassen, die den kleineren Mitgliedstaaten unangenehm in den Ohren klingt.

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