Überwachungsgesetz Schweden: Orwell wird geschminkt

Nach heftiger Kritik will Schwedens Regierung beim Gesetz zur Internetüberwachung nachbessern. Die grundsätzliche Kritik verstummt aber nicht.

Da fließt, was Geheimdienste gerne haben wollen. Bild: ap

STOCKHOLM taz Angesichts massiver Proteste hat die schwedische Regierung eine Änderung des Gesetzes zur automatisierten Überwachung des grenzüberschreitenden E-mail- und Mobilfunkverkehrs angekündigt. Demnach soll der Teil dieses Verkehrs nicht mehr überwacht werden, bei dem Sender und Empfänger schwedische Adressen haben.

Ein noch einzurichtendes spezielles Gericht muss dem Militärgeheimdienst vorab die Erlaubnis zur Überwachung bestimmter Adressen oder "Verkehrsstränge" geben. Personen, deren Kommunikation abgehört worden ist, sollen nachträglich kontrollieren dürfen, ob diese Maßnahme keinen Gesetzesverstoss darstellte. Und stößt der Geheimdienst beim Datensammeln auf "seelsorgerische Kommunikation", soll diese nicht gespeichert, sondern sofort gelöscht werden.

Die grundsätzliche Kritik an dem Gesetzesvorhaben, das am 1. Januar 2009 in Kraft treten soll, verstummt damit aber nicht. Die Möglichkeit, ganze "Verkehrsstränge" - praktisch gesprochen: die Fiberkabel, über welche der grenzüberschreitende Datenverkehr abgewickelt wird - überwachen zu können, ließe nach Meinung von KritikerInnen auch in Zukunft eine Massenüberwachung zu. Das Gesetz erlaubt nach wie vor, das gesammelte "Rohmaterial" ein Jahr lang zu lagern. Damit sind die abkopierten Daten gemeint, die auf die Geheimdienstrechner über "Weichen" abgezweigt werden, deren Installation alle in Schweden aktiven Internetprovider in Zukunft zulassen müssen.

Eine wirkliche Kontrolle darüber, wie dieses Datenmaterial beim Militärgeheimdienst FRA ("Försvarets Radioanstalt") dann behandelt und ausgewertet wird, hätte auch ein außenstehendes Gericht praktisch nicht. Nach wie vor soll die Abwehr "äußerer Gefahren" pauschal die Einschränkung der Privatsphäre Einzelner rechtfertigen. Ein schwammiger Gesetzeszweck, der nach Meinung vieler JuristInnen gegen Bestimmungen der europäischen Menschenrechtskonvention verstösst und daher vor dem Menschenrechtsgerichtshof in Strassburg keinen Bestand haben dürfte. Und nach wie vor sind Lauschoperationen ohne jeglichen Verdacht auf eine Straftat möglich.

Journalisten- und Rechtsanwaltsverbände kritisieren, dass es jetzt zwar eine Sonderregelung für den Datenverkehr zu Seelsorgern geben soll, aber nicht für möglicherweise vertraulichen Mail- und Handyverkehr zu Medien oder AnwältInnen. Nach den insgesamt fünfzehn Änderungsvorschlägen, welche Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt am Donnerstagabend präsentierte, hielt die Opposition aus Sozialdemokraten, Grünen und Linkspartei in ersten Stellungnahmen an ihrer grundsätzlichen Kritik an dem Gesetzesvorhaben fest.

Sie kündigen an, das "FRA-Gesetz", sollte es in Kraft treten, wieder aufheben zu wollen, falls sie nach den Parlamentswahlen 2010 an die Regierung kommen. Sie wollen erst einmal eine gründliche Untersuchung, was ein solches Massenüberwachungsgesetz für den angeblichen Zweck, die Antiterrorbekämpfung, tatsächlich bringen könnte und ob die damit verbundenen weitreichenden Einschränkungen der persönlichen Integrität der BürgerInnen zu verantworten sind.

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