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Müntefering schreibt BuchSPD-Chef warnt vor sich selbst

Franz Müntefering soll die Sozialdemokraten retten. Wie er sich das vorstellt, hat er in einem Interviewbuch zusammengefasst. Die Partei kann sich schon mal warm anziehen.

Franz Müntefering liest gerne vor. Neuerdings schreibt er auch. Bild: dpa

Seit klar ist, dass Franz Müntefering neuer SPD-Chef wird, rätselt die Partei, welchen Chef sie da bekommt. Den talentierten Wahlkämpfer, der der Konkurrenz mit deftigen Sprüchen einheizen wird? Der gegen die Union polemisiert und die Partei 2009 zusammenhält? Oder kommt der andere Müntefering zurück, der eisernen Vizekanzler, der über der Partei stand, der Hartz IV und die Rente mit 67 für in Stein gemeißelt hielt und als SPD-Chef entnervt zurücktrat, weil die Partei nicht richtig spurte?

"Macht Politik!" heißt das Interviewbuch, in dem Müntefering seine politischen Ideen ausbreitet. Ein merkwürdiger Titel. Er klingt so, als würde jemand einer Partei, die nach harten Jahren in der Opposition, endlich regieren darf, ein paar Tipps geben. Die SPD aber regiert seit zehn Jahren. Für Sozialdemokraten enthält das Interview, geführt von Tissy Bruns, jedenfalls ein paar Hinweise, auf welchen Müntefering sie sich einstellen können.

Müntefering beherrscht die einfache, klare Ansprache und die treffende Metapher. Und er teilt auch mächtig aus, vor allem gegen Angela Merkel und Oskar Lafontaine. Merkel sei führungsschwach und bei der Verlängerung des Arbeitslosengeldes weich geworden, für Lafontaine sind „Hasadeur“ und „nicht ehrlich“ noch die hübscheren Attribute. Müntefering präsentiert sich als Verantwortungsethiker, der tut, was getan werden muss und verurteilt, wer das nicht tut. Daher rührt seine Kritik an Merkel, der er zuviel Parteiinteresse und zu wenig Staatsraison bescheinigt. Man kann die stählerne Konsequenz, mit der er die Agenda 2010 verteidigt, beeindruckend finden. Aber ein SPD-Wahlkampf, der Merkel als Verräterin an Schröders heiliger Agenda-Schrift brandmarkt, wird wenig Erfolg haben.

Der SPD verordnet Müntefering einen Mentalitätswechsel. Sie war lange ausgegrenzt und verfolgt – und pflegt das „Gefühl Außenseiter zu sein“. Nur einer hat mit dieser Nischenexistenz wirklich gebrochen: Gerhard Schröder, dem die Partei daher nacheifern soll. Müntefering ist einem Ethos des Tuns verpflichtet, dessen Letztbegründungen auch tautologisch sein können. "Ein Tischler baut einen guten Tisch, weil er einen guten Tisch bauen will", sagt Müntefering. So verhält es sich auch mit dem Politiker, der gute Politik macht, weil er es will. In Münteferings Welt hat es der verantwortliche Politiker mit allerlei Problemen zu tun: mit der Alterung der Gesellschaft, Arbeitslosigkeit, der EU, dem Rentensystem. Um Probleme zu lösen, nutzt keine Ideologie, sondern nur Sachverstand, der eher in Ministerien als in Parteien beheimatet ist. Politik ist, wenn der verantwortungsbewusste Politiker sich von der Ministerialbürokratie beraten lässt, um die beste Lösung auszuwählen. Das ist Münteferings, in diesem Buch mannigfach wiederholtes, Credo. Was dabei komplett fehlt, sind Interessen. Und das ist schon erstaunlich für einen Sozialdemokraten.

Das Buch hat 220 Seiten und kostet 20 Euro. 100 Seiten und zehn Euro wären besser gewesen. Denn Müntefering ist ein Könner des Knappen, die eingehende Erörterung, die abwägende Analyse ist nicht seine Stärke. Zum Erfolg der Linkspartei, zum wachsenden Desinteresse an Politik fällt ihm nichts sein, das aber lang. Welchen Müntefering bekommt die SPD? Wahlkampf diszipliniert und schweißt zusammen. Gewiss wird Müntefering die Krise des globalen Finanzkapitalismus 2009 prägnanter auf den Punkt bringen als es Beck je vermocht hätte. Aber es gibt auch die autoritäre, schroffe, apodiktische Seite, die nicht zu unterschätzen ist. Die SPD muss, so Volkspädagoge Müntefering, „ihre Mitglieder fördern und fordern.“. So wie es der Staat mit den Arbeitslosen tut. Sozialdemokraten sollten dieses Buch lesen. Als Warnung.

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4 Kommentare

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  • N
    NADI

    Dieses Buch ist wohl Prelude auf den Wahlkampf und da möchte Müntefering sich klar gegen seine wichtigsten Gegner abgrenzen: Merkel und Lafontaine. Insofern bestätigt Münteferin, dass Lafontaine zu den großen ungelösten Problemen der SPD gehört. Die Ursache ist natürlich nicht diskutierbar, denn Hartz-IV stinkt wie eine Moorleiche in die Chefetage der SPD hinein. Die miese Betreuung, die mangelnde Professionalität und extrem niedrigen Sätze - quasi Sozialhilfe - das zwickt die SPD. Und mit einem Stahlschmied wie Münteferin wird es weiter gehen: Die SPD wird weiter verlieren und unter Druck stehen.

    Die Partei selber wird von einem Müntefering wie eine Armee in einer aussichtslosen Schlacht geführt: Diskussionen und Teilhabe der Mitglieder ist nicht angesagt. Die sollen Beiträge zahlen, ausführen, was die Führung sagt und ansonsten sich bitte ihrer Meinung enthalten. Dass die Partei von Münteferin, Scholz und Schröder bereits regelrecht geschlachtet wurde, hat sich bei der SPD-Führung immer noch nicht rumgesprochen. Da kann Lafontaine eigentlich nur Champagner aufmachen und Merkel darauf bauen, dass die SPD sich selbst die größten Probleme macht, bevor überhaupt jemand die These der Führungsschwäche diskutieren will. Bei Bundestagswahlen in diesen Krisenzeiten liefert den Linken eine perfekte Bühne - einem eisenharten Sozialeinsparer wird diese Bühne schnell zur Qual werden. Ganz besonders mit dieser vemeidlichen klaren Kante, die Müntefering gerne angibt, zu haben. Ich prognostiziere für die SPD einen neuen Schub zu Wahlniederlagen, Austritten und Führungszankereien. Die vielen abgehackten Köpfe der Blutspur von Münteferin, Clement und Schröder können Witterung aufnehmen, der Jäger wird bald zur Beute.

  • AT
    Atta Troll

    100 Seiten und 10 Euro?? Wie wäre es mit 0 Seiten und 0 Euro??? Münteferings Elaborat gehört mit Sicherheit zu den Büchern die die Welt nicht braucht. Genauso wie Müntefering zu den Politikern gehört, die unser Land nicht braucht.

    Wer soll diese SPD wählen? - Der Parteivorsitzende predigt allen Ernstes "wer nicht arbeitet soll auch nicht essen" (entweder hat er seinen Bebel nicht richtig gelesen oder er interpretiert ihn ganz bewußt falsch) und der Kanzlerkandidat - der weiß ja gar nix - wie in diversen Untersuchungsausschüssen offiziell festgestellt wurde. Was sollen wir mit einem Bundeskanzler der nicht einmal weiß was rings um ihn herum vorgeht? Oder noch schlimmer: der genau weiß, was um ihn herum vorgeht und lügt? - Trotzdem ich bin froh, dass die beiden 2009 antreten. Sie werden eine deutliche Wahlschlappe erhalten, und dann sind wir sie endlich los. Vielleicht wird dann auch in der SPD wieder sozialdemokratische Politik gemacht.

  • MM
    Marion Manneck

    Die Schnapsidee von Frank-Walter Steinmeier Müntefering als Parteivorsitzenden vorzuschlagen, wird die Partei noch bereuen. Leider läßt der vorauseilende Gehorsam der Funktionäre und Delegierten für den Bundesparteitag nur die Absegnung ahnen. Wie es aussieht hat die Partei aus den Misserfolgen und dem Aderlass bei den Mitgliedern nichts gelernt.

  • A
    anke

    Ich schätze, da liegt ganz einfach ein Druckfehler vor. Der Buchtitel sollte ursprünglich nach aktueller deutscher Recht-Schreibung "Macht-Politik!" lauten. Irgend ein Drucker hat nach einer langen Nacht beim Setzen den Bindestrich vergessen und nun klingt das, was ursprünglich eine erhellende Aussage über Münteferings Berufsziel gewesen ist, nach einer nicht so ganz ernst gemeinten Aufforderung an die Genossen in Rot-Weiß. Shit happens - genau auf die Art entstehen historische Irrtümer.