Klavier mit einem Schuss Elektro: "Der höchste Grad der Schönheit"

Hauschka hat in diesem Fall nichts mit Kosmetik zu tun, sondern ist ein Pseudonym für den Musiker Volker Bertelmann. Seine Musik ist fast zu schön, um wahr zu sein.

Volker Bertelmann alias Hauschka vor seinem präparierten Klavier. Bild: promo

Idylle, Utopie, Melancholie. Da sind sie wieder alle versammelt, diese schwammigen Gefühlsworte, die immer dann ranmüssen, wenn es um Musik mit einem deutlich ausgestellten, aber schwer fassbaren Emotionsgehalt geht. Um Gefühligkeit, adrett verpackt und schlicht und einfach: schön.

Schuld an dieser Versammlung ist Volker Bertelmann aus Düsseldorf, der unter dem Namen Hauschka Klavier spielt, wobei er Kronkorken oder Filzkeile zwischen die Saiten klemmt, damit es ein wenig scheppert und pluckert. Ein Hauch von Verfremdung rauscht ab und zu durch seine minimalistische, aber überaus harmonische Klangwelt und macht das Ganze nur noch reizvoller.

Wer die Musik von Hauschka hört, kann nicht anders, als sich Volker Bertelmann als einen glücklichen Menschen vorzustellen. Genau wie er einem dann auch gegenübersitzt und strahlend von seiner Kindheit und den Freuden des Klavierspielens erzählt. "Ich bin ein Mensch, der ganz viele Töne benutzt und eher Melodie mag, als in die John-Cage-Richung zu gehen", sagt er. Der Name des amerikanischen Komponisten fällt immer, wenn wie bei Hauschka ein Klavier präpariert wird.

Gerade weil bei ihm alles so schön und licht und zum Verlieben ist, macht es einem Bertelmann schon wieder schwer. Wie sollten an Brüche, Krach und Antiästhetik geschulte Ohren sich bei diesen Klängen nicht vor Scham einrollen wollen? Wie blöd kommt man sich vor, im Zusammenhang von Popmusik von Unschuld zu sprechen, Worte wie Natur, Erdigkeit oder Heimat zu benutzen und sie naiv mit positiven Gefühlen zu besetzen? Das ist die Mutprobe, die es bei Hauschka erst einmal zu bestehen gilt. Sie scheint bei seinem dieser Tage erschienenen vierten Album "Ferndorf" schwieriger als je zuvor.

Mit nur mehr ganz behutsam präpariertem Klavier, zwei Cellistinnen und ab und zu ein paar Posaunenklängen hat Bertelmann eine Sammlung zarter, instrumentaler Lieder aufgenommen, die einer Ahnung unverfälschter Schönheit auf der Spur sind. Titel wie "Morgenrot", "Schönes Mädchen" oder "Barfuß durch Gras" erzählen von der Idylle einer Kindheit auf dem Land. Und zwar so unverblümt romantisch-naiv, dass man am liebsten einen Beipackzettel dazu hätte, der erst mal theorieunterfüttert den kompositorischen Ansatz erklärt. Aha, musikalischer Postdekonstruktivismus. Neue Harmonie. Die Melodie als Antimelodie.

Doch damit hat Volker Bertelmann nichts am Hut. Eher schon mit einer leicht hippiesken Verklärung des Musikmachens als Rausch und Kontrollverlust, in dem die größte denkbare Freiheit liegt - und, wie er sagt, "der höchste Grad der Schönheit. Alles, was nach diesem Album kommt, ist entweder genauso schön oder es geht eher abwärts, ins Geräuschhafte. Noch schöner wäre schon schmerzhaft, zumindest für mich."

Vieles, was Bertelmann erzählt, wirkt wie ein über sich selbst verhängtes Todesurteil im System Pop, das uneingestanden oft genug erzkonservativen Werten folgt. Bertelmann hat kein Problem damit zu sagen: "Ich finds total schön, dass es Werte gibt, die in dem Ganzen überleben." Trotzdem ist er nicht ein Träumer, der sich aus seinen Kindheitsillusionen nie befreit hat. Eher einer, der früh seinen eigenen Weg gesucht und viel später wieder mit dem Träumen begonnen hat. Das klassische Musik-Business-Programm hat er in den 90er-Jahren noch mitgemacht: mit 18 die erste Filmmusik für "Ein Fall für zwei", von da an in professionellen Tonstudios unterwegs, später ein Plattenvertrag bei einem Major, Touren gemeinsam mit den Fantastischen Vier, Festivals mit den Red Hot Chili Peppers.

Die Entdeckung elektronischer Musik war nach dem Ende der Major-Karriere schließlich sein großer biografischer Wendepunkt. Immer auf der Suche nach dem richtigen Groove oder der richtigen Phrase spielt Bertelmann nun sein Klavier so, wie es ein Produzent elektronischer Musik mit einer Drummachine machen würde: repetitiv, in recht simplen, ständig modulierenden Mustern. Die Beschäftigung mit Sound- und Trackstrukturen musste ihn früher oder später wieder zurück zu seinem Klavierspiel führen, wie er es als neunjähriger Junge in Ferndorf begonnen hatte. Wenn Volker Bertelmann heute also mit einem Flügel auf einer Bühne sitzt, kann er wie damals in seiner Kindheit alles um sich herum vergessen. Kann eintauchen in die Musik, in Idyllen und Utopien. Man muss ihn beneiden.

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