Untergangsstimmung an der Börse: Noch hofft man auf Rettung

Nachdem auch die Zinssenkung von sechs Notenbanken die Kurse nicht stützen konnte, wartet man nun auf einen gesamteuropäischen Plan zur Rettung der Banken.

Ein Aktienhändler an der Frankfurter Börse hinter einer selbstgebastelten Todesanzeige für den deutschen Aktienmarkt. Bild: ap

Rabenschwarz hatte der Mittwoch auf den weltweiten Aktienmärkten begonnen. Nachdem der Dow Jones am Vortag bereits um über 5 Prozent auf 9.447 Punkte und damit den niedrigsten Stand seit fünf Jahren gefallen war, gab es auch an den asiatischen und europäischen Börsen dramatische Kurseinbrüche. In Frankfurt war der DAX zeitweise unter 5.000 Punkte gesackt und lag damit so niedrig wie seit zwei Jahren nicht mehr.

Als um die Mittagszeit die Mitteilung einer konzertierten Aktion von sechs Notenbanken zur Senkung der Leitzinsen über die Ticker der Agenturen lief, drehte sich der Trend um und der DAX erholte sich wieder. Um zwei Stunden später erneut abzutauchen und dann wieder zu klettern. Am Ende landete der DAX 5,9 Prozent im Minus bei 5.013 Punkten. An mehreren Börsen wie in Paris wurde der Handel vorübergehend ausgesetzt. In Moskau wurde der Aktienhandel bis Freitag ganz gestoppt, nachdem der Index Micex binnen einer halben Stunde um über 14 Prozent gesunken war.

Was die asiatischen Börsen anging, sprachen Analysten von einer regelrechten Panik. In Japan sackte der Nikkei-Index zeitweise um 9,4 Prozent auf 9.203 Punkte ab. Das war der größte Einbruch seit Oktober 1987.

Die Europäische Zentralbank (EZB) beschloss, den Leitzins für die Euro-Zone um 0,5 Prozentpunkte auf 3,75 Prozent zu senken. Die US-Notenbank Fed senkte um einen halben Prozentpunkt auf 1,5 Prozent. Die Zentralbanken in Großbritannien, Kanada, der Schweiz und Schweden schlossen sich der Aktion an. Zuletzt hatte es eine ähnliche gemeinsame Leitzinssenkung nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA gegeben. In einer Erklärung begründete die EZB die außerplanmäßige Zinssenkung damit, die Verschärfung der Finanzkrise habe die Abwärtsrisiken für das Wachstum verschärft. Die Maßnahme sei mit den Grundsätzen der Preisstabilität vereinbar, da der Inflationsdruck in einigen EU-Ländern bereits merkbar nachlasse.

Viele private Anleger flüchten aus den Aktien und legen ihr Geld nun in Gold an. Der Preis für eine Feinunze stieg binnen einer Woche um gut 100 Dollar auf über 900 Dollar und nähert sich damit der bisherigen Rekordmarke von 1.000 Dollar. Verschiedene Lieferanten berichten von einem beispiellosen Ansturm und meldeten massive Engpässe und teilweise Lieferzeiten von mehreren Wochen. Gängige Goldmünzen wie der "Krügerrand" seien bereits seit Längerem ausverkauft.

Die Diskussion um eine koordinierte Antwort der EU auf die Finanzmarktkrise ging unterdessen weiter. Der designierte SPD-Vorsitzende Franz Müntefering zeigte sich in Berlin bei der Vorstellung seines Buches "Macht Politik" "enttäuscht, dass sich in diesen Tagen Europa als nicht handlungsfähig erweist". Der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy betonte die Notwendigkeit einer koordinierten europäischen Antwort. Nur abgestimmte Handlungen der Zentralbanken und der Regierungen könnten die Risiken eindämmen, es dürfe keine isolierten Antworten auf eine globale Herausforderung geben. Der britische Premier Gordon Brown kündigte ein "baldiges" internationales Spitzentreffen zur Finanzkrise an. Der russische Präsident Dmitri Medwedjew sprach sich für einen erweiterten G-8-Gipfel aus.

Für eine Verstaatlichung notleidender Banken ist inzwischen der frühere Chef der Deutschen Bank, Hilmar Kopper. "Man sollte angeschlagenen Banken keine Garantien geben, sondern sie verstaatlichen", sagte Kopper laut einem Vorabbericht der Wochenzeitung Die Zeit: "Für den Staat kann es sich sogar lohnen: Er kauft in der Krise und verkauft, wenn es wieder besser geht."

Unterschiedliche Prognosen gab es gestern für die künftige wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland. So prophezeite der Internationale Währungsfonds (IWF) eine Stagnation für 2009. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) erwartet dagegen noch ein Wachstum von 1,0 Prozent und trat Sorgen vor einer Rezessionsgefahr entgegen. Die Folgen der Finanzkrise seien beherrschbar und griffen vorerst nicht auf die übrige Wirtschaft außerhalb der Bankenbranche über, erläuterte das DIW. Die Krise tauge auch nicht als Begründung für andere wirtschaftliche Probleme. "Was wir im Augenblick in der Wirtschaft sehen, sind zwei Welten", sagte DIW-Präsident Klaus Zimmermann in Berlin. Neben einer der heftigsten Finanzmarktkrisen der vergangenen Dekaden gebe es die reale Welt, die weiter funktioniere, auch wenn sie sich jetzt hin zu niedrigeren Wachstumsraten bewege.

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