Asien und die Finanzkrise: Hochwillkommene Japaner

Chinas Wirtschaft und Japans Banken stehen in der Krise relativ gut da. Von ihnen könnten entscheidende Impulse für die Weltwirtschaft ausgehen.

Kommt die Rettung aus Asien? Bild: dpa

Wie geht es weiter im Kampf gegen die internationale Finanzkrise? Mit Plan B in Washington oder den neuen Krisenstrategien des Weltwährungsfonds? "Das ist jetzt eher nebensächlich", sagt Jesper Koll. Koll war lange Jahre Chefökonom der inzwischen in Bedrängnis geratenen US-Investmentbank Merril Lynch in Tokio. Heute leitet er dort seine eigene Beratungsfirma Tantallon Research Japan. Er ist einer der renommiertesten Analysten der asiatischen Volkswirtschaften.

Für Koll fällt in Peking dieser Tage die Entscheidung, wie es weitergeht. "Die heutige Sitzung des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei China ist viel wichtiger als alles, was gerade in Washington geschieht", sagt Koll. Warum? "Weil es in der Finanzwirtschaft und erst recht in einem Krisenmoment immer zuerst um Vertrauen geht", sagt er. Die Amerikaner haben seines Erachtens nicht nur in den letzten Wochen viel Vertrauen verspielt. Deswegen käme es darauf an, wer heute das verlorene Vertrauen wiederherstellen kann. Rettungspläne für die Banken und andere angeschlagenen Finanzinstitute, wie sie jetzt von den Finanzpolitikern in den USA und Europa zusammengezimmert werden, reichten nicht aus. Sie minderten nur die Verluste.

Entscheidend aber sei, so Koll, wo das Vertrauen in neues Wachstum und neue Profite geweckt werden kann. "Alle korrigieren jetzt ihre Wachstumserwartungen für das nächste Jahr nach unten", beobachtet er. Nirgendwo in den reichen Industrieländern gäbe es ein Patentrezept für eine Wiederbelebung der Konjunktur. "Aber es muss Vertrauen in neues Wachstum her, sonst ist es bald kein Blödsinn mehr, von einer Depression zu sprechen", sagt Koll. Und damit ist er wieder in Peking.

"China hat jetzt die Chance, wahre Führungskraft zu beweisen", meint der Finanzexperte. Peking hatte sich in der letzten Bewährungsphase, während der Asien-Krise 1997/1998, als Ruhepol erwiesen, nicht eingegriffen und die Währung stabil gehalten. Das wäre damals richtig gewesen, doch heute sei Peking anders gefordert. Das Zentralkomitee der KP müsse der Welt versprechen: Bei uns geht das Wachstum weiter. Es müsse Wachstumsversprechen für 2009 geben, die über den Ergebnissen von 2008 lägen. Und es müsse ein Konjunkturpaket für den Ausbau der chinesischen Infrastruktur und die Entwicklung des Sozialsystems auflegen, um das Versprechen glaubwürdig zu machen. "Jeder weiß, dass China diese Investitionen noch braucht", sagt Koll. Kein anderes wichtiges Land der Welt könne heute so glaubwürdig das Vertrauen in neues Wachstum wecken wie China.

So denkt Jesper Koll. Aber werden ihm die Kader des Zentralkomitees folgen? Für drei Tage haben sie sich seit Donnerstag hinter verschlossenen Türen in Peking zu ihrer einmal im Jahr stattfindenden Tagung versammelt. Das ZK ist das höchste Entscheidungsgremium der KP zwischen ihren Parteitagen. Es trifft die wichtigsten wirtschaftspolitischen Beschlüsse des Landes. Es könnte handeln. Doch wahrscheinlicher ist, dass die KP-Führung die derzeit leichte Abkühlung der chinesischen Wirtschaft vom bisher zweistelligen Wachstum auf erwartete 8 bis 9 Prozent im kommenden Jahr sogar begrüßt. Mit dem leichten Rückgang schwanden in China die in der Bevölkerung weit verbreiteten Inflationsängste. Die Preissteigerungsrate sank im Laufe des Jahres von 8 auf 4 Prozent.

Das wurde als großer Erfolg kommunistischer Wirtschaftspolitik verbucht, die zuletzt auf Drosselung des galoppierenden Wachstums aus war. Wird man unter dem Eindruck dieses innenpolitischen Erfolges umdenken, den Blick auf die weltweiten Probleme richten und entsprechend konjunkturpolitisch eine Wende einleiten können?

Immerhin hat die chinesische Zentralbank eingelenkt. Sie senkte am Mittwoch zum zweiten Mal innerhalb eines Monats um 0,27 Prozent den Leitzins - im Einklang mit den Zinssenkungen weltweit. Qu Hongbin, Chefökonom der HSBC-Bank in China, sieht darin den Beweis für das "internationale Denken" der chinesischen Zentralbank. Die Bank sei sich der globalen Situation voll bewusst.

Doch zugleich müsse sie aus politischen Gründen sehr vorsichtig agieren, sagt Qu. Es gebe in Peking immer noch den Wunsch, die eigene Politik nicht als direkte Einmischung in die Geschehnisse an der Wall Street erscheinen zu lassen. Was darauf schließen lassen könnte, dass man sich im Zentralkomitee doch lieber die Hände vor Vergnügen am Versagen westlicher Finanzmacht reiben wird, statt proaktiv die Weltwirtschaft anzukurbeln.

Doch nicht nur Peking fällt in dieser Krise die Rolle des möglichen Retters zu. Ausgerechnet Japan, das selbst bis vor wenigen Jahren von einer endlosen Bankenkrise geplagt war, steht plötzlich als einziger Saubermann unter den reichen Industrieländern da. Japans Banken machten bei den jetzt hinfälligen Derivaten- und Hypothekengeschäften nicht mit. Sie finanzieren sich heute wieder maßgeblich aus Spareinlagen, sind aus der Krise mit solidem Handwerk überkapitalisiert hervorgegangen. Und nun kaufen sie plötzlich ein.

Die größte japanische Bank, Mitsubishi UFJ, hat 21 Prozent der Aktien der angeschlagenen US-Investmentbank Morgan Stanley erworben. Das japanische Wertpapierhaus Nomura verleibte sich für lächerliche 200 Millionen Dollar das europäische und asiatische Geschäft der bankrottgegangenen US-Bank Lehman ein. "Zum ersten Mal bauen japanischen Finanzinstitute globale Finanzinstitutionen auf", analysiert Jesper Koll. Schon sitzen Japaner im Vorstand von Morgan Stanley - was bislang so unverstellbar war wie westliche Vorstände bei Toyota.

Und erstaunlicherweise sind die Japaner hochwillkommen - ganz anders als bei der letzten großen japanischen Investitionswelle im Westen, als Mitsubishi Ende der 80er-Jahre das Rockefeller Center in New York kaufte, Amerika empört aufschrie und eine japanische Gefahr im Verzug sah. Heute dagegen versprechen gerade die Japaner langfristige Investitionen und eine Bankenpolitik ohne Entlassungen. Vor allem aber haben sie daheim unbegrenzte Finanzierungsmöglichkeiten, die derzeit in keinem anderen westlichen Land vorhanden sind.

Die Japaner strichen jetzt die Dividende ihrer Bankenrestrukturierung ein, sagt Jesper Koll. An diesem Punkt ist Koll optimistisch: "Das Endprodukt der Krise wird eine stärkere, bessere Globalisierung sein. Die letzten nationalen Blöcke werden gerade aufgebrochen, und zwar von den Japanern in New York und London," sagt Koll.

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