Neuer Grundgesetztext in Bolivien: Weg frei für neue Verfassung

Die Regierung und Teile der konservativen Opposition einigen sich auf einen neuen Grundgesetztext. Im Januar 2009 stimmen die Bolivianer darüber ab, Ende 2009 gibt es Neuwahlen.

Boliviens Regierung verkündet die Einigung mit der Opposition über eine neue Verfassung. Bild: dpa

Der Durchbruch ist geschafft: Nach wochenlangen Verhandlungen hat sich Boliviens Regierung mit der konservativen Opposition auf eine neue Verfassung geeinigt. Nach der Änderung von mehr als 120 der 411 Artikel des Ende 2007 verabschiedeten Grundgesetzes stimmten die Fraktionsspitzen der drei Oppositionsparteien im Kongress von La Paz am Montag einem Verfassungsreferendum am 25. Januar 2009 zu. Nach Neuwahlen im Dezember 2009 könnte Präsident Evo Morales bis 2014 amtieren.

Zuvor hatte Vizepräsident Álvaro García Linera auf die Möglichkeit einer erneuten Kandidatur von Morales Ende 2014 verzichtet. Außerdem soll die angestrebte 10.000-Hektar-Obergrenze für Landbesitz nicht rückwirkend gelten. "Wir haben ein Abkommen zur nationalen Versöhnung erreicht", sagte Luis Vásquez, Senator der größten Oppositionspartei Podemos. Mit der Einigung war die erforderliche Zweidrittelmehrheit im Parlament garantiert, die nach einer Marathonsitzung am Dienstagmorgen zustande kam.

Die ganze Nacht über feierten zehntausende Indígenas vor dem Kongressgebäude auf der Plaza Murillo. Evo Morales, der im Dezember 2005 als erster Indígena zum Staatschef gewählt und 2008 mit 67,4 Prozent bestätigt worden war, hatte am Montag den Sternmarsch zur "Neugründung Boliviens" von Bauern und Minenarbeitern auf La Paz über 25 Kilometer angeführt. Tausende Marschierer waren acht Tage unterwegs.

Oppositionspolitiker verurteilten die "Umzingelung" des Parlaments. Als Angestellte am Montagvormittag anfingen, auf dem Platz Metallstühle aufzubauen, befürchtete der Abgeordnete Arturo Murillo einen "römischen Zirkus". Doch bereits Stunden später wurde die Einigung verkündet. "Hier gibt es weder Sieger noch Besiegte", erklärte Gustavo Torrico von der Regierungspartei "Bewegung zum Sozialismus" (MAS).

Die Podemos-Parlamentarier aus dem Andenhochland hätten sich an die Regierung "verkauft", sagte Gloria Rojas, eine ehemalige rechte Abgeordnete des Verfassungskonvents. Auch Unternehmer aus der Agrarmetropole Santa Cruz äußerten sich skeptisch und wollten die Änderungen vor einer Stellungnahme im Detail prüfen. Viele Podemos-Parlamentarier aus den Tieflandprovinzen stimmten gegen den Kompromiss. Rechte Abgeordnete der Provinz Chuquisaca, die den Regierungssitz in die Hauptstadt Sucre zurückverlegen wollen, kündigten an, für ein "Nein" im Referendum zu werben.

Auch einzelne Mitglieder des Regierungslagers waren unzufrieden. Der Kongress sei nicht befugt, den im Dezember 2007 verabschiedeten Verfassungstext vor dem Referendum zu ändern, sagte der Bauernführer und MAS-Politiker Román Loayza. "Das Interesse der Gesellschaft hat Vorrang", meinte hingegen der Oppositionspolitiker Guillermo Richter, der für die Tieflandprovinz Beni im Verfassungskonvent gesessen hatte. Es sei nicht das erste Mal, dass in Bolivien Abkommen außerhalb der Normen zustande kämen.

Der Abgeordnete Alejandro Colanzi hob die wichtige Rolle internationaler Beobachter beim Zustandekommen des Kompromisses hervor. Die Delegierten der Union Südamerikanischer Nationen (Unasur), der Organisation Amerikanischer Staaten, der UN und der EU hätten am Montagmorgen, als das Abkommen zu scheitern drohte, als Vermittler eingegriffen, berichtete er. Die Verfassung, mit der die Regierung eine Umverteilung des Wohlstands zugunsten der indianischen Bevölkerungsmehrheit anstrebt, war jahrelang von der weißen Oberschicht in mehreren Provinzen abgelehnt worden. Im September kam es im Norden, Osten und Süden zu Unruhen. Nach einem Unasur-Präsidentengipfel in Santiago de Chile lenkte die Opposition ein.

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