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Attac-Demo vorm Finanzministerium"Die Zeche zahlen die Steuerzahler"

Protest am Weltspartag: Der Attac-Finanzexperte Stephan Schilling hofft auf politischen Druck für Vermögensabgabe und Finanzmarktkontrolle.

Vor der Steinbrückschen Homebase: Hier wird am Weltspartag der Systemwechsel gefordert. Bild: dpa

privat

STEPHAN SCHILLING, 25, ist Finanzmarktexperte beim Globalisierungskritiker-Netzwerk Attac. Infos zur Demo: www.attac.de

taz: Herr Schilling, Attac ruft für Donnerstag zu einer Kundgebung vor dem Finanzministerium auf. Lassen sich zu einem solch komplexen Thema wie der Finanzkrise Menschen mobilisieren?

Stephan Schilling: Ich glaube schon - schließlich sind alle betroffen: Es stehen Arbeitsplätze auf dem Spiel, und die Finanzkrise kostet Steuergeld, das an anderer Stelle fehlen wird. Früher wurde immer behauptet, es sei kein Geld da. Jetzt hilft die Politik den Spekulanten aus der Patsche. Da empfinden viele Menschen eine große Unzufriedenheit.

Und welche konkreten Forderungen folgen aus dieser Unzufriedenheit?

Die Politik darf nicht damit durchkommen, dass nun die Steuerzahler die Zeche der Spekulanten zahlen müssen. Unter dem Motto "Holt das Geld von den Profiteuren" fordern wir, dass die Bundesregierung die Kosten des Rettungspakets durch eine Sonderabgabe auf Vermögen finanziert.

Eine solche Abgabe löst doch aber nicht das eigentliche Problem.

Nein, natürlich muss mehr passieren als nur Krisenmanagement. Wir brauchen einen Systemwechsel in der Finanzmarktpolitik. Nur durch die Regulierung der Finanzmärkte lässt sich sicherstellen, dass sich Krisen in dieser Form nicht wiederholen.

Wie sieht denn so ein Systemwechsel konkret aus?

Die Banken müssen unter öffentliche Kontrolle gestellt werden. Durch eine radikale Umverteilungspolitik sollen die Finanzmärkte schrumpfen. Zudem müssen wichtige Bereiche der Gesellschaft dem Einflussbereich der Finanzmärkte entzogen werden - dazu gehört es, die Privatisierung von Daseinsfürsorge und sozialer Sicherung zu stoppen beziehungsweise rückgängig zu machen. Die Macht der Finanzmärkte muss gebrochen werden.

Die Landesbanken stehen unter öffentlicher Kontrolle. Zeigt das nicht, dass der Staat es auch nicht besser kann?

Da muss man differenzieren. Bei den Landesbanken wurden Fehler gemacht. Sie haben einfach das Geschäftsmodell privater Banken kopiert.

Was wäre denn die Alternative?

Die Kontrolle muss demokratischer werden. Wichtige gesellschaftliche Gruppen wie die Gewerkschaften sollten Mitspracherechte haben.

Wenn nun all Ihre Forderungen erfüllt würden, ist das dann das Ende des Kapitalismus?

Nein, aber die Forderungen weisen sehr deutlich über das bestehende System hinaus. Die Wirtschaft muss auf soziale und ökologische Ziele ausgerichtet werden, nicht auf maximale Profite. Es geht um eine grundlegende Transformation unseres Wirtschaftssystems, das Ende des Finanzmarktkapitalismus.

INTERVIEW: FELIX WERDERMANN

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3 Kommentare

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  • T
    Theophil

    Ein wesentliche Forderung ist doch , die Finanzen dem Zweck wieder zufürhen, zu dem sie bestimmt sind. Geld und Kredit sollen die Wirtschaft der Region vor Ort und in soziale Belange zur Selbsthife investiert werden und nicht in die Büörsenschluchten. Zweitens transparent geführt und demokraitsch kontrolliert - da denke ich an alle Modelle direkter Demokratie durch die Bürgerinnen und Bürger(!), nicht aber eine Kontrolle durch Apparate - das geht sonst ebenso in eine Schlucht.

  • HT
    Herr T.

    Wo liegt bitte der Unterschied, ob "der Steuerzahler die Zeche zahlen soll" oder die Garantien über eine "Abgabe auf Vermögen" gesichert werden?

  • A
    A.Guck

    Neiddebatte

     

    Sozial Schwachen, Arbeitnehmer, Mittelständler ohne leistungslose Kapitaleinkommen müssen nun bluten (z.B. durch Steuererhöhung, Inflation, Kürzung der Mittel für Soziales und Bildung), weil es die deutsche Regierung als ihre Aufgabe betrachtet, millionenschweren Spekulanten ihre Gewinnmitnahmen zu garantieren. Die Rechnung für diese Geschenke muss früher oder später bezahlt werden - von allen anderen. CDU und SPD sollen sich bei den nächsten Wahlen von denjenigen wählen lassen, deren Interessen sie vertreten. Die Mehrheit der Menschen in diesem Staat ist dies nicht.