Rebellen im Kongo: Krieg geht in entscheidende Phase

Im Ostkongo nähern sich die Rebellen von Laurent Nkunda der Provinzhauptstadt Goma und ziehen Überläufer an. Die Flüchtlingszahlen steigen dramatisch.

Viel mehr als vermutet: Menschen auf der Flucht im Ostkongo. Bild: ap

In den Kriegsgebieten im Osten der Demokratischen Republik Kongo bahnt sich offenbar eine Entscheidung an. Die Rebellen der CNDP (Nationalkongress zur Verteidigung des Volkes) unter dem Tutsi-General Laurent Nkunda standen am Montag kurz vor der Provinzhauptstadt Goma, nachdem sie am Wochenende eine neue Großoffensive gestartet hatten. In der 500.000 Einwohner zählenden Stadt bewarfen jugendliche Demonstranten die Basis der UN-Blauhelme am Flughafen mit Steinen, um gegen deren Untätigkeit zu protestieren. UN-Soldaten eröffneten das Feuer. In der großen Klinik des US-Hilfswerks "Heal Africa" wurden ein Toter und mehrere Verletzte eingeliefert, darunter Kinder.

Die Rebellenbewegung CNDP, 2006 zum Schutz ostkongolesischer Tutsi vor Hutu-Milizen aus Ruanda gegründet, hat sich in jüngster Zeit in eine politische Bewegung verwandelt, die sich als Avantgarde aller Unzufriedenen des Kongo sieht. Bereits Ende 2007 hatte es schwere Kämpfe zwischen CNDP und Regierung gegeben, die mit einem Sieg der Rebellen endeten. Ein im Januar 2008 geschlossenes Friedensabkommen, das die Auflösung aller bewaffneten Gruppen der ostkongolesischen Kivu-Provinzen vorsah, wurde kaum umgesetzt, und Ende August dieses Jahres brachen die Kämpfe neu aus. Eine Mitte September von der UNO ausgehandelte Truppenentflechtung lehnten die Rebellen ab. Die Regierungsarmee startete neue Angriffe, die damit endeten, dass am 8. Oktober ein Großteil ihres örtlichen Waffenarsenals aus der Basis Rumangabo in Rebellenhände fiel.

Nun setzt Rebellenchef Nkunda offensichtlich zum Sprung an. Am 17. Oktober organisierte er in seiner Hochburg Bunagana an der Grenze zu Uganda eine große Militärparade, bei der zahlreiche Überläufer aus Nord-Kivus Provinzregierung und Provinzparlament der Öffentlichkeit vorgestellt wurden. Seitdem ziehen die CNDP-Rebellen immer mehr Überläufer auf ihre Seite. "Hier kommen jeden Tag Funktionäre aus Goma an", berichtet ein ausländischer Besucher in Bunagana. Angezogen würden sie dadurch, dass es im Rebellengebiet anders als im Regierungsgebiet keine Überfälle von Militärs gibt und die Verwaltung normal arbeiten kann. "Egal mit wem du sprichst, alle sagen: Hier gibt es keine Übergriffe mehr."

In Goma hingegen wird von zunehmenden Übergriffen vor allem auf ruandischsprachige Kongolesen berichtet. Die Stadtverwaltung hat eine Volkszählung gestartet, bei der die Bewohner nach Ethnie registriert werden. Manche ruandischsprachigen Einwohner, Hutu ebenso wie Tutsi, sehen darin die Vorstufe zu systematischer Verfolgung.

Ihre jüngsten Vorstöße rechtfertigen die Rebellen mit Angriffen der Gegenseite. Nach der erneuten Einnahme der Armeebasis Rumangabo am Sonntag eroberten sie gestern Nachmittag nach eigenen Angaben den Ort Kibumba, letzte große Regierungsstellung nördlich von Goma. Bis zu 60.000 Menschen, darunter Soldaten, flohen an den Stadtrand von Goma.

Das Flüchtlingsdrama in Nord-Kivu ist die düsterste Dimension der Kriege Ostkongos. Vor Ausbruch der jüngsten Kämpfe zählten UN-Hilfswerke rund 950.000 Kriegsvertriebene unter den 5 Millionen Einwohnern der Provinz. Letzte Woche schätzte das UN-Welternährungsprogramm WFP, die Zahl der Vertriebenen sei seitdem um 200.000 gestiegen - doppelt so viel wie bisher vermutet. In beiden Kivu-Provinzen gebe es 1,4 bis 2 Millionen Flüchtlinge. Das wären Dimensionen, die an Darfur im Sudan heranreichen. Die meisten Vertriebenen erhalten überhaupt keine Hilfe, Sterberaten und Raten akuter Unterernährung sind extrem hoch.

Eine politische Lösung ist nicht in Sicht. Kongos Regierung in der fernen Hauptstadt Kinshasa löst sich nur allmählich aus einer Regierungskrise, die mit dem Rücktritt von Premierminister Antoine Gizenga am 25. September begann. Sein Nachfolger Alphonse Muzito stellte am Sonntag ein neues Kabinett vor, in dem unter anderem die Innen-, Außen- und Verteidigungsminister ihre Posten verloren. Verteidigungsminister wird nun der 72-jährige Charles Mwando, Gouverneur der Kivu-Provinzen während der Mobutu-Diktatur in den 80er-Jahren. Die UN-Mission im Kongo (Monuc) befindet sich ebenfalls in der Krise, nachdem ihr erfahrener Militärchef Babacar Gaye aus Senegal Ende September turnusmäßig sein Amt an den spanischen General Vincente Diaz de Hellega. übergab. Dieser hat noch keinerlei Initiative gezeigt, und es gehen Gerüchte um, dass er seinen Rücktritt eingereicht habe.

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