: Sex, Crime und Gezappel
MUSICAL In Neukölln wird die Chico Buarques „Ópera do Malandro“ aufgeführt, die auch von Brechts „Dreigroschenoper“ inspiriert ist
Das Portugiesische lässt sich wirklich sehr schön singen. Die Macherinnen der „Ópera do Malandro“ des brasilianischen Komponisten Chico Buarque haben gut daran getan, die Gesangsnummern fast durchgehend in der Originalsprache zu belassen und zu übertiteln. Es scheint aber nicht ganz einfach zu sein, das brasilianische Kolorit des Originals auf die Bretter eines Berliner Stadtteiltheaters zu bringen.
Mit der „Ópera do Malandro“ entdeckt die Neuköllner Oper, die damals, in ihren Anfängen in den Achtzigerjahren, mit der Wiederbelebung von John Gays „Bettleroper“ aus dem Jahr 1728 von sich reden machte, eine neue Variante des uralten Stücks. Gays „Bettleroper“ stand für die „Dreigroschenoper“ von Bertolt Brecht und Kurt Weill Pate, und Chico Buarque, dessen „Ópera do Malandro“ 1978 ihre Uraufführung erlebte, beruft sich auf beide Stücke als Inspiration.
Die Grundkonstellation der Figuren ist dieselbe wie bei Brecht: Der mächtige Zuhälter Duran (Guido Renner) und seine Frau Vitória (Suely Lauar) haben ihre erwachsene Tochter Teresinha (Julia Gámez Martin) nicht unter Kontrolle, die einfach dahergeht und sich mit dem Gangster und Geschäftemacher Max Overseas (Daniel Schröder) verheiratet. Overseas steht bei Teresinhas Papa noch mit einem Haufen Schulden in der Kreide, wird jedoch seinerseits gedeckt vom so einflussreichen wie korrupten Polizisten Chaves (Claudio Gonçalves).
Als Duran Chaves unter Druck setzt, muss dieser Max verhaften, woraufhin Teresinha die Geschäfte ihres Gatten übernimmt. Pikanterweise taucht, während Max im Gefängnis ist, eine von dessen früheren Geliebten auf.
Eine bunte Mischung aus Sex and Crime also, und dazwischen wird ziemlich bis sehr schön gesungen und auch ein bisschen getanzt. Regisseurin Lilli-Hannah Hoeppner arbeitet sich daran ab, Handlung und Figuren farcehafte, drastische Momente abzugewinnen. Es ist aber nicht wirklich einzusehen, warum.
Auch die DarstellerInnen scheinen es nicht zu verstehen, denn in jenen Szenen, wo forciertes Überagieren offensichtlich zum Regiekonzept gehört, wirken die meisten von ihnen schlicht überfordert. Ob es sich nun um exaltiertes Herumgezappel handelt oder um ostentativ überhöhte obszöne Gesten, entsteht dabei statt dramatischer Ironie doch nur platte Peinlichkeit, die an Provinztheater erinnert. Die Bühnencharaktere werden nicht entwickelt. Aus Zuschauersicht bleiben sie flache Pappkameraden. Die Handlung wird einem egal, denn die Geschehnisse werden nur zu Anlässen für die Figuren, gehörig herumzuzappeln. Von der ursprünglichen Handlung, der Käuflichkeit und Korrumpierbarkeit des Menschen, bleibt nichts.
Die besten Momente des Abends sind jene, in denen endlich die Musik anfängt. Das Ensemble ist sorgfältig auf schönen Stimmklang hin zusammengestellt worden, und wenn die Choreografien auch nicht im selben Maße überzeugen wie die musikalische Seite, so sind die Musiknummern doch häufig kleine Highlights. Buarque kombiniert schmissige Ensemble-Sambanummern mit pfiffigen Duetten und zu Herzen gehenden Sologesängen. Aber auch wenn die „Ópera“ ein Musical ist, in dem die Musik ja wichtig ist, so sollten doch die Szenen zwischen den Nummern mehr sein als nur die Szenen zwischen den Nummern mit dem vielen gesprochenen Text. KATHARINA GRANZIN
■ Wieder 7. 2. bis 10. 2., 20 Uhr