Klaus Lederer bleibt Landeschef der Linkspartei: Der nüchterne Linke

Anders als Oskar Lafontaine verzichtet Linkspartei-Landeschef Klaus Lederer auf populistische Profilierung. Der Basis gefällt das offenbar. Am Samstag wird die Partei ihn im Amt bestätigen

Keine herrischen Gesten, keine markanten Züge, keine markigen Worte. Klaus Lederer wirkt auch nach drei Jahren als Landeschef der Linkspartei trotz seiner inzwischen 34 Jahre mehr wie ein großer Junge statt wie ein ausgekochter Politiker. Der Linken scheint das zu gefallen: Beim Parteitag am Samstag wird sie ihn für zwei weitere Jahre wählen. Ein Herausforderer ist nicht in Sicht.

Lederer gehört zu den Menschen, die leicht in den Verdacht geraten, als Everybodys Darling auch schnell Everybodys Depp zu sein. Oft fällt der Begriff "nett", wenn man mit Parteigenossen und Mitgliedern der Fraktion spricht, in der er rechtspolitischer Sprecher ist. Auch ein anderer großer Junge der Landespolitik, Berlins SPD-Chef Michael Müller, erzählt im Grunde nur Nettes über Lederer. Er spricht von sehr angenehmer und vertrauensvoller Zusammenarbeit. Lederer könne manchmal noch gelassener sein, wenn ein Problem auftauche, meint Müller, aber ansonsten funktioniere das Miteinander gut.

Der Chef der Linkspartei, geboren 1974 in Schwerin, ist also ein bisschen so etwas wie der nette junge Mann von nebenan. Einer, der seine Zigarettenkippe nicht einfach auf die Straße schnippt, sondern in den Ascher vor der Kneipe steckt. Ein Prädikatsjurist, der sein zweites Staatsexamen 2006 trotz Doppelbelastung durch Politik und Lernen mit "gut" bestand. Einer, der mit diesen Noten und seinem Doktortitel bei Großkanzleien locker 100.000 Euro verdienen könnte - und stattdessen von rund 3.000 Euro monatlicher Abgeordnetendiät lebt. Ein Traum aller Schwiegermütter also, die dafür allerdings einen Sohn haben müssen - Lederer macht keinen Hehl daraus, dass er schwul ist.

Inhaltlich ist Lederer vor allem eins: pragmatisch. Hilfen für die Schwachen der Gesellschaft: ja - aber aus konkreten Töpfen und nicht aus einer fantastischen Gelddruckmaschine. Seine Themen sind nicht Dinge wie die Weltrevolution, sondern Datenschutz, öffentlicher Beschäftigungssektor, Gemeinschaftsschule, Tarifabschluss im öffentlichen Dienst. Er ist als guter Jurist einfach zu sehr gedrillt auf sachliche Argumentation, als dass er in Lafontaine-Manier mit hohlen Versprechungen tönen würde. Nüchtern ist er stattdessen, fast technokratisch kann er sich zuweilen anhören. Wo die Trotzkistin Lucy Redler schon dreimal Marx zitiert und den Sieg des Sozialismus beschworen hätte, spricht Lederer länglich von der "AV Wohnen", einer Ausführungsvorschrift zu Hartz IV.

In gewisser Weise gelingt Lederer die Quadratur des Kreises: Die Linkspartei provoziert unter seiner Führung keine unnötigen Gefechte mit der SPD, nur um sich gegenüber dem Koalitionspartner zu profilieren, verzichtet auch auf übermäßiges Bashing des immer wieder ausfällig werdenden SPD-Finanzsenators Thilo Sarrazin. Und doch kommt die Partei in der Öffentlichkeit derzeit nicht als bloßes SPD-Anhängsel rüber. Bei der Wahl 2006 stürzte sie von über 22 auf magere 13 Prozent ab. Doch mittlerweile ist die Linkspartei wieder konstant auf dem Weg nach oben. Ende November lag sie in der Umfrage bei 19 Prozent.

Die Wählerschaft scheint zu goutieren, dass die Partei ein soziales Korrektiv zum ungeliebten SPD-Mann Sarrazin darstellt - und dass sie das auf ganz pragmatische Weise macht statt mit viel Tamtam. Auch die Schwindsucht bei der Mitgliederzahl ist zwar nicht kuriert, aber seit gut zwei Jahren bei noch über 9.000 Parteigenossen zum Stillstand gekommen.

Dass Lederer von den meisten als nett empfunden wird, heißt nicht, dass alle auch seine Politik gutheißen. "Die parteipolitische Linie entsteht derzeit in der Fraktion und wird von der Partei bloß noch abgesegnet", ist von Kritikern in der Partei zu hören. Und die, die ihn ganz und gar nicht nett finden, sind vor allem die kleinen Bezirksverbände im Westen, die in der Landespartei keine wirkliche Rolle spielen. Dort gilt Lederer vielen als der, der eiskalt versucht, vermeintliche Abweichler im Westen plattzumachen. Als die Parteispitze jüngst wegen einer Personalquerele ihre Geschäftsstelle in Spandau vorübergehend schloss, sprachen die dortigen Genossen davon, der Landesvorstand wolle sie "strangulieren".

Die drei Jahre als Parteichef haben Lederer nicht übermäßig altern lassen, ihn aber äußerlich doch verändert. Als Anwalt müsste er doch Anzug tragen, scherzte er Ende 2005 auf die Frage, warum er die Politik der Kanzlei vorziehe. Damals kam er im Kapuzenshirt zum Interview. Heute trägt Lederer nicht nur bei offiziellen Anlässen, sondern schon bei formlosen Treffen mit Journalisten Anzug und Krawatte. Immerhin der Schlips ist leuchtend rot. Ob das für die Linkspartei rot genug ist, entscheiden am heutigen Samstag rund 170 Delegierte bei der Vorstandsneuwahl. Die Messlatte für Lederer liegt bei 79 Prozent vom vergangenen Mal.

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