: Protest gegen Ethikpreis für Urananreicherer
Ausgerechnet die Gronauer Urananreicherungsanlage darf sich mit einem „Gütesiegel“ für ethisches Handeln schmücken – auch im Namen von Umweltschützern und Atomkraftgegnern. Die fühlen sich „ethisch missbraucht“
GRONAU taz ■ Atomkraftgegner protestieren gegen die Verleihung eines Ethik-Preises an die Betreiber der Urananreicherungsanlage (UAA) Gronau. Die Initiative „Ethics in Business“, hinter der die Firma „compamedia“ aus dem baden-württembergischen Überlingen steht, hatte den Urananreicherer Urenco mit ihrem „Gütesiegel“ ausgezeichnet – und erntet nun massiven Protest: „Beim Abbau von Uran werden selbst im Normalbetrieb Umwelt und Arbeiter verseucht“, sagt Udo Buchholz, Sprecher der Gronauer Anti-Atom-Initiative Uaa– nee.
Heftige Kritik kommt auch vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) und der europäischen Vereinigung für erneuerbare Energien, Eurosolar. Die beiden atomkritischen Vereinigungen fühlen sich durch „compamedia“ missbraucht – schließlich gehören sowohl die BUND-Vorsitzende Angelika Zahrnt wie Eurosolar-Präsident Hermann Scheer der Jury von „Ethics in business“ an. Doch weder Zahrnt noch Scheer wurden von der Vergabe eines „Gütesiegels“ an Urenco auch in ihrem Namen informiert und haben ihren sofortigen Austritt aus der „compamedia“-Jury erklärt.
„Der Vergabe eines Ethik-Siegels an eine Urananreicherungsanlage, die die Voraussetzung für den Betrieb von Atomkraftwerken schafft, hätte ich nicht zugestimmt“, so BUND-Chefin Zahrnt. Schließlich engagierten sich die Umweltschützer seit über 30 Jahren für den Ausstieg aus der Atomenergie. Eurosolar-Präsident Hermann Scheer wird noch deutlicher: „Die Prämierung eines Unternehmens, das weltweit führend in der Urananreicherung tätig ist, und das noch außerhalb des Verfahrens der Jury, ist der Gipfel der Unseriosität“, schreibt der Träger des alternativen Nobelpreises in einem Brief an „compamedia“, der der taz vorliegt. Dieses Vorgehen stelle einen „ethischen Missbrauch der Jury-Mitglieder“ dar, schreibt Scheer, der auch SPD-Bundestagsabgeordneter ist. „Ihre Initiative „Ethics in business“ ist damit heillos verbraucht.“
„Compamedia“ gibt sich jetzt kleinlaut. „Das war vielleicht nicht in Ordnung“, müht sich Prokuristin Silke Masurat um Schadensbegrenzung. „Wir haben nicht weit genug gedacht.“ Gegen die selbst gesetzten Regeln ihres Ethikpreises habe „compamedia“ aber nicht verstoßen. Schließlich habe die Jury nicht über das „Ethics in business-Gütesiegel“, sondern lediglich über die Vergabe des „deutschen Preises für Wirtschaftsethik“ entscheiden sollen, argumentiert Masurat spitzfindig – und genau der sei eben nicht an Urenco, sondern an den Maschinenbauer und Vakuumspezialisten Schmalz aus Glatten im Schwarzwald gegangen. Man habe keine bestimmte Branche von Anfang an ausschließen wollen, sagt Masurat: „Wo fängt man an? Gehört die Rüstungsindustrie ausgegrenzt? Schließt man die Chemieindustrie generell aus?“, fragt sie.
Den Atomkraftgegnern reicht das nicht. Sie halten die Vergabe des „Gütesiegels“ für einen Skandal – mag Urenco in Deutschland gute soziale Standards vorweisen, fair mit Zulieferern und Mitarbeiten umgehen, wie „compamedia“-Prokuristin Masurat beteuert. „Die Entsorgung ist nach wie vor völlig ungeklärt“, hält Uaa–nee-Sprecher Buchholz dagegen. „Durch die Arbeit von Urenco laufen die Atomkraftwerke weiter.“ Außerdem entsorge Urenco regelmäßig abgebranntes Uran nach Russland – ein verantwortlicher, gar ethischer Umgang mit dem radioaktiven und giftigen Material ist mehr als unwahrscheinlich.
Zusammen mit dem Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) will Buchholz deshalb weiter Druck machen, sammelt Protest-Unterschriften. „Über 20 Initiativen haben wir schon auf unserer Seite.“
ANDREAS WYPUTTA