Gestopfte Gänse im deutschen Supermarkt: Wie 12 Kilo Nudeln, 2 mal täglich
In Frankreich und Ungarn werden noch immer Gänse gestopft. Obwohl das in Deutschland verboten ist, landet ihr Fleisch auch in hiesigen Supermärkten.
BERLIN taz Ob als Brust, Schenkel oder Keule - Enten- und Gänsefleisch füllt die Kühltruhen der Supermärkte. Gerade zur Weihnachtszeit. Was der Verbraucher oft nicht weiß: Nach Angaben des Deutschen Tierschutzbundes stammt etwa ein Viertel des importierten Gänsefleischs aus ungarischer Stopfleberproduktion. In den Mastfarmen würden Gänse täglich mit bis zu 800 Gramm Maisbrei durch ein 20 Zentimenter langes Rohr, dass direkt in den Magen führt, gestopft. Das entspreche etwa zwölf Kilo Nudeln für einen Menschen, zwei mal täglich, errechnete die Tierschutzorganisation Vier Pfoten.
Die Energie, die in dem überschüssigen Futter enthalten ist, wird von dem Tier zur Bildung von Fett verwendet. Dieses Fett sammelt sich insbesondere in der Leber. Am Ende der zweiwöchigen Qual habe die Stopfleber ein Gewicht von 1000 Gramm - eine gesunde Gänseleber erreiche maximal 70 Gramm. Diese "Delikatesse" wird besonders von Franzosen in Form von Gänseleberpastete, der Paté de Foie gras, geschätzt und kann bis zu 100 Euro kosten.
Da die Tiere zur Entnahme der Leber zerteilt werden müssen, fallen Keulen, Brust und Flügel als "Abfallprodukte" ab und werden in Deutschland in den Handel gebracht. Etwa drei Millionen Gänse - 80 Prozent der ungarischen Produktion - sollen, laut dem Deutschen Tierschutzbund, 2008 nach Deutschland exportiert worden sein.
Die Zwangsmast für Stopfleber ist zwar bereits in 14 europäischen Ländern, darunter Deutschland, verboten. Dennoch wird das Fleisch der Tiere tonnenweise innerhalb Europas verkauft - teilweise unter falschen Angaben. So verkaufte der deutsche Fleischgroßhändler Niederreuter in diesem Monat falsch etikettiertes Gänsefleisch aus ungarischer Stopfmast an eine Karstadt-Filiale in München, wie die Tierschutzorganisation Vier Pfoten aufdeckte. Laut Etikett stammte das Fleisch aus Polen, einem Land, das Gänsestopfen als Tierquälerei verbietet. Darunter ein zweites Etikett, das auf einen berüchtigen ungarischen Stopfleber-Produzenten verwies. Niederruter geht bei dem Vorfall von einer einmaligen Fehlhandlung durch einen Mitarbeiter aus.
Ungarn ist mit insgesamt sieben Millionen Enten und Gänsen jährlich weltweit der größte Exporteur und nach Frankreich der zweitgrößte Produzent von Stopfleber. Um die lukrative Zwangsernährung von Tieren gesetzlich zu schützen, tat Ungarn es Frankreich gleich und erklärte, unter heftigem Protest von Tierschützern, die Stopfleber zu einem "schützenenswerten nationalen Traditionsgut".
Im Zuge ihrer Kampagnen gegen Tierquälerei setzte Vier Pfoten den zweitgrößten Fleischprodzenten Ungarns Hungerit auf seine schwarze Liste, woraufhin die deutschen Supermarktketten Lidl, Aldi und Rewe sofort ihre Lieferverträge mit dem Unternehmen stornierten.
Allerdings zeigen Recherchen des ARD-Magazins Fakt, dass der Lebensmittel-Riese Edeka weiterhin Stopffleisch verkauft. Demnach sind zwar Teile der Ware als Fleisch aus der Stopfleberproduktion gekennzeichnet - allerdings auf ungarisch.
Ein klarer Beweis für die absichtliche Kundentäuschung durch Edeka, findet Vier Pfoten. Die Edeka-Geschäftsführung bestreitet allerdings den Handel mit Stopffleisch-Produkten und geht von einem Versehen aus.
Verbraucher können die Herkunft des Fleisches aber auch eigenständig an den EWG-Nummern auf den Produkt-Etiketten erkennen. Gänseteile aus Ungarn (HU) und Frankreich (F) sollten die Kunden lieber links liegen lassen und besser zu ganzen Tieren aus Deutschland oder Polen greifen, rät der Tierschutzbund.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
US-Präsidentschaftswahl
50 Gründe, die USA zu lieben
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
Bundestag reagiert spät auf Hamas-Terror
Durchbruch bei Verhandlungen zu Antisemitismusresolution
Klimaziele der EU in weiter Ferne
Neue Klimaklage gegen Bundesregierung
Resolution gegen Antisemitismus
Nicht komplex genug