Kapital für Kapital

Mit der Einführung der Abgeltungssteuer werden Steuerzahler nicht mehr gleichmäßig nach ihrer Leistungsfähigkeit belastet

Die Verbraucherjournalisten der Zeitschrift Finanztest haben sich immer wieder mit der Abgeltungssteuer befasst. Ihr wichtigster Tipp lautet: Wer Aktien oder Fonds besitzt, sollte künftig zwei Depots unterhalten, um die Anlagen nach altem und nach neuem Steuerrecht zu trennen. Denn das Finanzamt geht nach der Fifo-Methode vor: First in, first out. Nach dieser recht eigenwilligen Steuertheorie sind jene Anteile, die zuerst gekauft wurden, auch jene, die bei einem Weiterverkauf wieder auf den Markt kommen. Das kann erhebliche Verluste bedeuten, wenn Spekulationsgewinne künftig nicht mehr steuerfrei sind. Finanztest hat das Problem an einem Beispiel illustriert: „Ein Anleger zahlt monatlich 50 Euro in einen Fondssparplan. Ende 2008 hat er 25 Fondsanteile gekauft, zwei Jahre später hat er insgesamt 35 Anteile. Wenn er jetzt zehn Anteile verkauft, verkauft er nicht die zehn neu erworbenen Anteile, sondern zehn alte. Das ist insofern schade, als er mit diesen alten Anteilen auf viele weitere Jahre hinaus steuerfreie Kursgewinne hätte erwirtschaften können.“ Dieses Problem sei jedoch zu lösen: einfach ein zweites Depot anlegen für alle Zukäufe ab 2009. „Dann hat der Anleger es selbst in der Hand, aus welchem Depot er Anteile verkauft.“ UH

VON ULRIKE HERRMANN
UND HERMANNUS PFEIFFER

Dieses Neujahr markiert einen tiefen Einschnitt in der deutschen Steuergeschichte. Denn ab 2009 wird das wichtigste Grundprinzip aufgehoben: Künftig werden die Steuerzahler nicht mehr gleichmäßig nach ihrer Leistungsfähigkeit belastet.

Bisher war es egal, woher das Einkommen stammte, das versteuert werden sollte. Es war unerheblich, ob es durch Arbeit oder Kapitalbesitz erworben wurde. Alle Einkunftsarten – ob Lohn, Mieten oder eben Kapitalbezüge – unterlagen der progressiven Einkommenssteuer, die inklusive Reichensteuer bis zu 45 Prozent betragen konnte. Das wird ab Neujahr anders. Dann kommt die Abgeltungssteuer, die die Kapitalerträge privilegiert.

Die neue Steuer wird pauschal nur noch 25 Prozent betragen. Sie fällt auf alle Kapitalerträge an wie Zinsen, Dividenden, Kursgewinne von Aktien, Anleihen und Fonds. Hinzu kommt noch der Solidaritätszuschlag von 5,5 Prozent, sodass sich die Gesamtbelastung auf 26,4 Prozent summiert. Wer außerdem noch Kirchensteuern zahlt, wird mit knapp 28 Prozent zur Kasse gebeten. Für viele betuchte Anleger ist dies dennoch ein gutes Geschäft, wenn man es mit Einkommenssteuer von maximal 42 Prozent vergleicht, die bisher zu zahlen war. Die Verbraucherzentralen haben daher früh vor einer „falschen Umverteilungspolitik der Koalition“ gewarnt.

Die Bundesregierung rechnet damit, dass die Abgeltungssteuer zu Mindereinnahmen von 1,295 Milliarden Euro jährlich führen wird. Der grüne Finanzexperte Gerhard Schick ist sogar noch pessimistischer und geht von Ausfällen in Höhe von 1,7 Milliarden Euro pro Jahr aus.

Dennoch hofft die Bundesregierung, dass sich die Abgeltungssteuer langfristig lohnt. Sie will damit die Steuerflucht ins Ausland unterbinden. Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) hat diese Idee in einen Schüttelreim verpackt: „Besser 25 Prozent von x als 42 Prozent von nix.“

Dieser Optimismus wird von vielen Experten nicht geteilt. Die Steuerhinterziehung könnte sogar noch einfacher werden, fürchtet etwa Dieter Ondracek von der Steuergewerkschaft. Denn die Abgeltungssteuer ist eine Quellensteuer und wird von den Banken anonym ans Finanzamt abgeführt. Transparenz herrscht dann nur bei eher armen Kleinanlegern: Wenn ihre Einkommenssteuer unter 25 Prozent liegt, können sie jene Teile der Abgeltungssteuer zurückfordern, die ihnen zu viel abgezogen wurden. So gewinnen die Finanzämter den besten Überblick ausgerechnet bei jenen, die kaum etwas zu verbergen haben.

Aber nicht nur der generelle Sinn der Abgeltungssteuer ist umstritten – selbst viele Kapitalbesitzer sind unzufrieden. Vom Steuergeschenk profitiert nämlich nicht jeder Anleger. Begünstigt ist nur, wer Anleihen oder Sparbücher besitzt und Zinsen kassiert. Wer hingegen in Aktien investiert, wird durch die neue Steuer schlechter gestellt. Der erste Grund: Die Spekulationsfrist entfällt. Bisher waren Kursgewinne steuerfrei, wenn die Aktien länger als ein Jahr gehalten wurden. Ab Januar müssen alle Kursgewinne versteuert werden. Dies hat die Fantasie der Banken angeregt, wie man für die Vermögenden neue Schlupflöcher schaffen könnte (siehe unten).

Ein zweiter Grund, warum Aktionäre nun enttäuscht sind: Das Halbeinkünfteverfahren gestrichen. Bisher wurde nur die Hälfte der Dividenden belastet, wenn auch zum individuellen Steuersatz. Künftig müssen alle Dividenden mit 25 Prozent versteuert werden. Aktionärsvertreter empfinden dies als Doppelbelastung: Schließlich hat das Unternehmen auch schon Körperschaftssteuern von 15 Prozent abgeführt – insgesamt würden die Anleger also weit über 40 Prozent an Gewinnsteuern zahlen.

Und der dritte Grund: Die Aktionäre können keine Werbungskosten wie die Fahrten zu den Hauptversammlungen oder die Depotgebühren mehr absetzen. Stattdessen gilt nun für jeden Anleger der Sparerfreibetrag, der für Singles 801 Euro ausmacht.

Konsequenz: Die Abgeltungssteuer begünstigt vor allem Kapitalbesitzer, die Zinsen kassieren. Für Betriebe dürfte es daher noch attraktiver werden, mit Fremdkapital zu arbeiten. Das ist jedoch riskant, wie die Finanzkrise zeigt: Banken, Fonds und Firmen geraten derzeit in Bedrängnis, weil sie mit einem zu großen Kredithebel gearbeitet haben.

Die Abgeltungssteuer bleibt ein Rätsel: Sie privilegiert die Kapitalbesitzer – und hat dennoch kaum Fans.