Interview Gaskampf in Osteuropa: "Die EU hat nichts gelernt"

Trotz wiederkehrender Gaskonflikte in Osteuropa hat Brüssel keinen Notfallplan, kritisiert Cornelius Ochmann. Auch Deutschland setze allein auf die Ostseepipeline.

Sieger im Gasstreit nach Punkten: Russlands Präsident Medwedew. Bild: dpa

taz: Herr Ochmann, so wie es derzeit aussieht, wird in wenigen Tagen wieder Gas aus Russland durch die Pipelines in der Ukraine fließen. Ist damit die Krise beigelegt?

CORNELIUS OCHMANN, 44, arbeitet seit 1994 als Osteuropaexperte bei der Bertelsmann Stiftung mit dem Schwerpunkt EU-Ostpolitik.

Cornelius Ochmann: Zuallererst ging es darum, die schwierige Situation für die Verbraucher auf dem Balkan zu entspannen. Das dürfte gewährleistet sein. Doch damit ist die Krise noch keineswegs zu Ende.

Warum nicht?

Das Problem der Energiesicherheit ist nach wie vor ungelöst, die Energielieferungen in die Ukraine sind nicht abgesichert. Noch gibt es weder klare Transitregelungen noch eine Einigung über den Gaspreis. Das letzte Angebot aus Moskau an die Ukraine war eindeutig ein politischer Preis. Solange hier keine Klarheit herrscht, kann Russland Kiew seine Bedingungen diktieren.

Also ist Moskau in diesem Streit der Gewinner?

Ja, das ist ein klarer Punktsieg für Russland.

Wie beurteilen Sie die Rolle der Europäischen Union bei der Entschärfung des aktuellen Konflikts?

Die EU hat diesen Test bestanden. Prag hat das Problem gut gemanagt, und das, obwohl ja viele vorher die tschechische EU-Ratspräsidentschaft skeptisch beurteilt hatten. Dennoch ist die EU zum Handlanger Moskaus geworden. Brüssel hat zwar die Verantwortung übernommen, damit aber gleichzeitig die Ukraine von den Gaslieferungen abgeschnitten, nach dem Motto: Uns ist eigentlich egal, was dort passiert. Außerdem bleibt das Problem bestehen, dass es immer noch keine gemeinsame Energiepolitik der EU gibt. Die Frage ist, ob Tschechien da künftig am Ball bleibt.

Anfang 2006 hat Russland ja schon einmal die Gaslieferungen in die Ukraine kurzzeitig unterbrochen. Hat die EU aus diesem Gasstreit irgendetwas gelernt?

Nein, leider nicht. Noch immer hat die EU keine Strategie für den Notfall ausgearbeitet. Außerdem hatte der russische Präsident Wladimir Putin damals versprochen, Gas nicht mehr als politische Waffe einzusetzen. Genau das hat Moskau jetzt aber wieder getan und damit die Ukraine sowie 15 weitere Staaten in der EU in Geiselhaft genommen.

Tritt jetzt ein Lerneffekt in Brüssel ein?

Das ist im Moment schwer einzuschätzen. Ich glaube, dass sich in der EU in Bezug auf das Thema Energiesicherheit nicht viel tun wird. Wichtig ist aber vor allem, wie sich die Bundesregierung verhalten wird. Allerdings befürchte ich, dass Berlin voll auf die Ostseepipeline setzt. Das löst das Problem Energiesicherheit aber nicht und würde den Prozess, eine europaweite energiepolitische Konzeption zu entwickeln, eher blockieren.

Wie sollten jetzt Ihrer Meinung nach die Prioriäten der EU im Bereich Energie aussehen?

Zunächst einmal müssten die europäischen Gasnetze miteinander verbunden werden. Das ist teilweise bereits möglich. Der zweite Schritt, und der ist noch viel wichtiger, müsste auf eine Diversifizierung der Gaslieferungen hinauslaufen. Die Osteepipeline und das Nabucco-Projekt müssen so schnell wie möglich realisiert werden.

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