Kommentar Gaza: Das Kalkül der Hamas

Die humanitäre Katastrophe, die Israel in Gaza verursacht, wird das Bild eines angemessen reagierenden Staates erschüttern. Und die Hamas wird ihr Einbunkern als heroischen Sieg feiern.

In diesen letzten Tagen vor einer Waffenruhe ist Gaza die Hölle. Selbst das Hauptquartier der UN wird zur Zielscheibe israelischer Bomben. Kein Ort ist mehr sicher für die Menschen im Gazastreifen.

Noch ist die Macht der Hamas nicht gebrochen. Wenn sie überlebt - und dafür spricht einiges -, wird sie die eigene Strategie des Einbunkerns als heroischen Sieg über Israel feiern. Und in den Straßen der arabischen Welt wird ihr Mythos neue Urständ feiern. Sie hat drei Wochen gegen die überlegene israelische Feuerkraft standgehalten und nicht nur sechs Tage wie die arabischen Armeen vor gut 40 Jahren. Die politischen Zugeständnisse, die sie für eine Waffenruhe machen muss, werden ihr nur bedingt schaden, wenn die Belohnung für eine effektive Grenzkontrolle und die Einstellung des Raketenbeschusses auf Israel die Öffnung der Grenzen des Gazastreifens ist. Die Zerstörungen in Gaza, die hohe Zahl der getöteten Kinder und Frauen, das ungeheure Leid und Elend der Bevölkerung dürften nicht zu Unrecht Israel angelastet werden. Auch wenn Hamas zivile Opfer als Teil der eigenen Strategie einkalkuliert.

In der Tat stellt sich für Israel die Frage, wieso eine Armee, die ihre Abschreckungsfähigkeit und Schlagkraft wiederhergestellt haben will, nach drei Wochen Krieg noch keine Hamaskämpfer oder auch nur einen einzigen ihrer Führer vor den Kameras präsentieren kann. Die Zerstörungswut, die sich in diesen Tagen in Gazastreifen manifestiert, kann schwerlich als militärisches Geschick interpretiert werden. Die humanitäre Katastrophe, die Israel in Gaza verursacht oder zumindest in Kauf genommen hat, wird das Bild eines angemessen reagierenden, an westlichen Werten orientierten Staates jedenfalls schwer erschüttern.

Auf dem falschen Fuß erwischt hat der Gazakrieg auch die Fatah und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas. Beide sind marginalisiert in diesem Konflikt. Abbas machte vorschnell die Hamas für den Kriegsausbruch verantwortlich und geriet so in den Verdacht der Kollaboration mit Israel. Auch wenn das Unsinn ist: Der Vorwurf, die eigenen Landsleute im Stich gelassen zu haben, dürfte Abbas und die Fatah noch teuer zu stehen kommen.

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61, ist Redakteur im Ausland und gelegentlich Chef vom Dienst. Er arbeitet seit 1995 bei der taz, für die er schon in den 80iger Jahren geschrieben hat. Derzeit ist er zuständig für die Europäische Union und Westeuropa. Vor seiner langjährigen Tätigkeit als Blattmacher und Titelredakteur war Georg Baltissen Korrespondent in Jerusalem. Noch heute arbeitet er deshalb als Reisebegleiter für die taz-Reisen in die Palästinensische Zivilgesellschaft. In den 90iger Jahren berichtete er zudem von den Demonstrationen der Zajedno-Opposition in Belgrad. Er gehörte zur ersten Gruppe von Journalisten, die nach dem Massaker von 1995 Srebrenica besuchte.

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