Erdogan wirbt und droht: EU-Beitritt hat "höchste Priorität"

Erstmals seit fünf Jahren besucht der Türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan das EU-Parlament und startet eine Charme-Offensive. Den Beitrittskritikern droht er.

"Warum kann es nicht schneller gehen?" Ministerpräsident Erdogan will den EU-Beitritt. Bild: ap

BRÜSSEL taz In den letzten Monaten schien das Thema EU-Mitgliedschaft in Ankara nicht mehr sehr weit oben auf der Tagesordnung zu stehen. Doch bei seinem zweitägigen Besuch in Brüssel macht Ministerpräsident Erdogan klar: "Der Beitritt hat höchste Priorität für die Türkei." Das zeige sich zum Beispiel daran, dass er gerade erst seinen außenpolitischen Berater Egemen Bagis zum ersten türkischen Europaminister und neuen Verhandlungsführer für die EU-Beitrittsgespräche ernannt habe.

Erdogan, der auf Einladung des European Policy Center vor Politikern, Verbandsvertretern und Journalisten sprach, kritisierte das Tempo der Verhandlungen. "Wenn man erfolgreich ist, warum kann es nicht schneller gehen?" Sein Land habe in den vergangenen Jahren grundlegende Reformen durchgeführt. Ein neuer TV-Kanal sende rund um die Uhr in kurdischer Sprache. Medienzensur gebe es nicht. Journalisten würden nur eingesperrt, wenn sie nicht die Wahrheit schrieben. "Seit der Reform des Paragrafen 301 kann nur noch der Justizminister ein Verfahren wegen Beleidigung der Nation eröffnen." Viele Fälle würden gar nicht mehr verfolgt, beschwichtigte Erdogan.

Er habe sich bei Nicholas Sarkozy darüber beschwert, dass unter französischer Ratspräsidentschaft nur zwei der insgesamt 35 Verhandlungskapitel, in die der rechtliche Besitzstand der EU unterteilt ist, eröffnet worden seien. Damit sind nun zehn Kapitel offen. Mit Kroatien, dessen Beitrittsverhandlungen ebenfalls vor drei Jahren begannen, wurden bereits 21 Kapitel eröffnet.

Acht Kapitel, in denen es um Handels- und Zollfragen geht, liegen auf unbestimmte Zeit auf Eis. Diese symbolische Sanktion beschloss der Rat im Dezember 2006, da sich Ankara nach wie vor weigert, die griechische Republik Zypern anzuerkennen. In der Praxis braucht es für jedes neue Kapitel ein einstimmiges Votum aller 27 Regierungen.

"Wenn das Energiekapitel blockiert wird, müssen wir die Nabucco-Pipeline überdenken", warnte Erdogan gestern in Brüssel. Eine neue Gasleitung durch die Türkei wird in Brüssel als Alternative zu der krisenanfälligen russischen Versorgungslinie diskutiert, die durch ukrainisches Gebiet führt. "Müssen die Europäer das große Zypern fragen, bevor sie Nabucco bauen dürfen?", spottete der türkische Premier. Immerhin habe die Türkei 70 Millionen Einwohner, die Republik Zypern aber nur 700.000. "Die Frage, ob die Türkei überhaupt zu Europa gehört, betrachten wir als Beleidigung."

Sie wird trotzdem unverändert laut in Brüssel gestellt. Parlamentspräsident Hans-Gert Pöttering (CDU) sagte dem Hamburger Abendblatt, seiner Meinung nach sei "eine privilegierte Partnerschaft angemessener als eine Vollmitgliedschaft". Kommissionspräsident Barroso hingegen lobte die Reformfortschritte. Europa brauche die Türkei. "Die Türkei kann uns helfen, die Energieversorgung auf eine breitere Grundlage zu stellen", sagte Barroso.

DANIELA WEINGÄRTNER

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