Die CDU im Wahljahr: Furcht vor der gelben Gefahr

Merkel setzt auf "bürgerliche Mehrheiten". Einen Lagerwahlkampf, der nur der FDP nützt, will sie aber vermeiden. Unklar ist, welche Rolle Koch künftig auf Bundesebene spielt.

Ist Koch nun wieder der Zweite hinter Merkel oder doch nur der Hesse? Bild: dpa

Das Gewitter entlud sich über Josef Schlarmann. Schon seit Monaten zieht der Chef der CDU-Mittelstandsvereinigung gegen die aus seiner Sicht zu wirtschaftsferne Politik der Bundeskanzlerin zu Felde, auch das Konjunkturpaket hat er zuletzt kritisiert. Am Montag nun stellte Angela Merkel den weißhaarigen Hanseaten vor dem versammelten CDU-Vorstand zur Rede. Er habe den Stützungsmaßnahmen auf der Erfurter Klausurtagung vor einer guten Woche doch zugestimmt, hielt sie ihm vor, dann könne er sie im Nachhinein nicht öffentlich attackieren.

Die plötzliche Dünnhäutigkeit der Kanzlerin, die Schlarmanns Einlassungen bislang stets ignoriert hatte, hängt mit dem hessischen Wahlergebnis zusammen. Zwar ist bei den christdemokratischen Strategen die Freude groß, dass das schon verloren geglaubte Bundesland nun ins eigene Lager zurückkehrt und dass die sozialdemokratische Konkurrenz mit denkbar schlechten Aussichten ins Wahljahr startet. Dass aber die CDU trotz des Debakels der SPD an absoluten Stimmen verlor, wird nicht einmal vom Ministerpräsidenten selbst als großer Erfolg bewertet. "Ich will nicht verhehlen, dass ich zwei, drei Prozent mehr toll gefunden hätte", sagte Roland Koch am Montag vor der Presse in Berlin.

Einigkeit besteht auch darin, dass dieses bescheidene Resultat zu beträchtlichen Teilen Kochs mangelnder Popularität zuzuschreiben sei. Verpackt wird diese Erkenntnis in die beschönigende Formulierung, die anderen Parteien hätten eine Kampagne gegen die Person des Ministerpräsidenten geführt. Uneinheitlich wird bewertet, was das für Kochs künftige Rolle in der Bundespolitik bedeutet. Die einen sehen ihn nach seinem Comeback wieder als Nummer zwei in der Partei, zumal der Niedersachse Christian Wulff am Montag nicht nach Berlin reiste und damit erneut sein Desinteresse an der Bundespolitik zur Schau stellte. Andere sehen eher den Nordrhein-Westfalen Jürgen Rüttgers in dieser Rolle. An Merkels Position als Nummer eins wird nicht gezweifelt.

Sorge bereitet den Christdemokraten, dass die FDP bei der Bundestagswahl in ihrer Klientel ähnlich wildern könnte wie in Hessen. Es sei nicht gelungen, den wirtschaftspolitischen Schwenk im Zuge der Finanzkrise hinreichend zu erklären, heißt es in der CDU. Jahrelang sei die eigene Klientel auf den Rückzug des Staates eingeschworen worden, jetzt gehe es plötzlich in die umgekehrte Richtung. Durch Kritik aus den eigenen Reihen, wie Schlarmann sie äußere, werde die mittelständische Klientel der FDP in die Arme getrieben.

Dass die Union jetzt in den fünf größten Bundesländern mit der FDP regiert und damit die schwarz-gelbe Perspektive auch für den Bund in immer größere Nähe rückt, gilt für den Wahlkampf aber auch als Risiko - zumal der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering bereits die Parolen gegen ein angeblich neoliberales schwarz-gelbes Lager intoniert. "Hessen hat gezeigt, dass bürgerliche Mehrheiten trotz eines Fünfparteiensystems möglich sind", freute sich Merkel zwar am Montag. "Es gibt keinen Lagerwahlkampf", wehrte sie aber eine allzu enge Anlehnung an die FDP ab. Anders als 2005 gehe das schon deshalb nicht, "weil die Union heute in der Regierungsverantwortung ist".

Genau entgegengesetzt sieht das der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle. Er glaubt nach dem Abschneiden seiner Partei in Hessen fest an den Erfolg eines Lagerwahlkampfs: Schwarz-Gelb gegen den Rest. "Ein verlässlicher Partner" wolle die FDP sein, sagt Westerwelle, "gerade auch für bürgerliche Mehrheiten". Ihren gewachsenen Einfluss im Bundesrat wolle die Partei "klug nutzen", aber "nicht abheben".

Die Partei konnte trotz der deutlich gesunkenen Wahlbeteiligung am Sonntag einen enormen Anstieg von knapp 260.000 auf 420.000 Stimmen verzeichnen. Diesen Erfolg verdankt FDP-Mann Hahn vor allem seinem ungeliebten Duzfreund Roland Koch. Dem Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap zufolge stimmten aber auch knapp 30.000 ehemalige SPD-Wähler diesmal für die FDP.

Doch warum votierten so viele Bürger ausgerechnet für jene Partei, die am energischsten jene Deregulierungen der Märkte propagiert hat, die zur jetzigen Krise beigetragen haben? Weil die kleine FDP nur die Stimmen jener Bürger braucht, die ihr Programm nach wie vor für richtig halten. Diese Handwerker, Banker und Ärzte nehmen die mit der SPD koalierende Union nicht mehr als Alternative wahr. Wenn sogar die CDU nach links schwenkt, bleibt aus ihrer Sicht nur die FDP als Option übrig. Daher sehen auch die Umfragen für die Bundestagswahl die FDP seit Monaten über zehn Prozent.

Doch Angela Merkel polarisiert nicht wie Roland Koch. Der FDP muss das aber nicht zum Schaden gereichen. Wenn eine zur Mitte ausgerichtete CDU dort Stimmen sammelt, bleibt die konservativ-liberale Flanke übrig für die FDP. Gemeinsam könnten sie so die Bundestagswahl gewinnen.

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