Weltsozialforum endet mit Kundgebung: "Reichtum umverteilen"

Das Weltsozialforum ist zu Ende. Auf der Abschlusskundgebung formulierten die Aktivisten ihre Forderungen: ein Steuersystem unter UN-Regie und Schuldenerlass für Arme.

"Versammlung der Versammlungen": Ein paar Tausend waren dabei, der Rest war schon gefahren. Bild: ap

Die Teilnehmer des Sozialforums werteten die Finanz- und Wirtschaftskrise als Folge des Kapitalismus und forderten eine Reihe von "dringenden" Maßnahmen, darunter Kontrolle der Finanzmärkte, die Gründung regionaler Stabilitätsfonds und eines neuen Währungssystems ohne den US-Dollar als Leitwährung sowie die Schließung von Steueroasen. Um die Spekulation auszuschließen, sollten Lebensmittel und Rohstoffe nicht mehr an Börsen gehandelt werden. Weltbank und IWF sollten abgeschafft werden.

Wilfried Steen vom Evangelischen Entwicklungsdienst nannte es inakzeptabel, dass Entwicklungsländern durch Steuer- und Kapitalflucht 900 Milliarden US-Dollar pro Jahr entgingen und sie im Gegenzug nur 100 Milliarden Dollar Entwicklungshilfe erhielten. Außerdem würden derzeit Billionen Dollar zur Stabilisierung des internationalen Finanzsystems eingesetzt.

"Mit diesem Geld wäre es möglich, allen Menschen dieser Erde Zugang zu sauberem Wasser und Grundnahrungsmitteln zu verschaffen, alle Aidskranken angemessen zu versorgen, Grundbildung für alle Menschen zu ermöglichen und eine einschneidende Klimaerwärmung zu verhindern, die in Kürze Ernten in Afrika halbieren wird", sagte Steen.

Zum Abschluss des Weltsozialforums wurde auch ein wirksamer Schutz des Amazonasgebiets gefordert, der durch internationale Steuern finanziert werden soll. In der Klimapolitik lehnten die Globalisierungskritiker den Emissionshandel ab. Unternehmen könnten sich damit von der Verpflichtung freikaufen, den Ausstoß des klimaschädlichen Kohlendioxids zu vermindern.

Auch der Nahostkonflikt war ein Thema des Weltsozialforums. Israel wurde für den "Völkermord an den Palästinensern verurteilt. Die Verantwortlichen sollten vor ein Kriegsverbrechertribunal gestellt werden, hieß es.

BELÉM taz Kehraus auf dem Campus der Amazonien-Uni: Am Sonntagnachmittag ist das neunte Weltsozialforum mit einer "Versammlung der Versammlungen" in Belém zu Ende gegangen. Auf einer Bühne trugen die Sprecher von 22 Aktionsbündnissen ihre Forderungen vor: Feministinnen, Umweltschützer, Kleinbauern, Afrobrasilianer, Migrations-, Finanz-, Wasser-, Gesundheits- oder Bildungsaktivisten.

Ein paar tausend hörten sich die teils recht langatmigen Erklärungen geduldig an. Die meisten der 133.000 Forumsteilnehmer aus insgesamt 142 Ländern hatten schon vorher den Heimweg angetreten. Beschlossen wurde eine "Woche gegen Kapitalismus und Krieg" zwischen dem 28. März und dem 4. April. Am 30. März findet ein "Solidaritätstag mit Palästina" statt. Am 12. Oktober wollen nicht nur Indígenas aus ganz Amerika für ein neues "Zivilisationsmodell" auf die Straße gehen, sondern auch AktivistInnen in Afrika, Asien und Europa.

Immer wieder ist von "Systemkrise" und einem zwingenden "Paradigmawechsel" die Rede. Im Publikum steht der deutsche Attac-Aktivist Alexis Passadakis und fasst seine Botschaft so zusammen: "Das Finanzsystem muss auf völlig neue Füße gestellt und der globale Reichtum umverteilt werden, kosmetische Korrekturen reichen nicht." Der Forderungskatalog, den er mit anderen erarbeitet hat, reicht von der Gründung eines Steuersystems unter der Regie der UN bis zu Schuldenerlassen für Länder des Südens.

Wilfried Steen vom Evangelischen Entwicklungsdienst beklagte, dass Entwicklungsländern durch Steuer- und Kapitalflucht 900 Milliarden US-Dollar pro Jahr entgingen und sie im Gegenzug nur 100 Milliarden Dollar Entwicklungshilfe erhielten. Außerdem würden derzeit Billionen Dollar zur Stabilisierung des internationalen Finanzsystems eingesetzt.

Forderungen nach einer "offiziellen" Schlusserklärung weist Forumsmitbegründer Chico Whitaker von sich: "Das wäre das Ende des Forums. Die bessere Welt kann nicht dekretiert werden, sie wächst langsam von unten." Die nun präsentierten Vorschläge seien ausgereifter denn je, meint der 77-Jährige.

In der Klimapolitik lehnten die Globalisierungskritiker den Emissionshandel ab. Unternehmen könnten sich damit von der Verpflichtung freikaufen, den Ausstoß des klimaschädlichen Kohlendioxids zu vermindern.

"Es war fantastisch, so viele Gleichgesinnte zu erleben", sagt die Offenbacher Gewerkschafterin Bettina Ellermann zum Schluss, "das gibt mir neuen Auftrieb für die Arbeit zu Hause." Das nächste Weltsozialforum soll 2011 stattfinden, über den Ort soll in den nächsten Tagen entschieden werden.

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