: Braune Seiten seit Monaten nicht aufrufbar
NAZIS Rechtsextreme Webauftritte wurden vom Netz genommen. Die Gründe dafür sind unklar
TOM SCHREIBER (SPD)
Die berüchtigten Internetseiten des rechtsextremen „Nationalen Widerstands Berlin“ sind offline. Die „Chronik“-Seite kann nach Angaben des Verfassungsschutzes bereits seit Ende Oktober nicht mehr aufgerufen werden. Auf ihr wurden Politiker, Anwälte, Journalisten und Vertreter der Zivilgesellschaft, die sich gegen rechts engagieren, mit Namen, teilweise sogar mit Adresse und Foto als „Feinde“ an den Pranger gestellt. Viele der gelisteten Personen und Institutionen wurden Opfer von Anschlägen, deren Urheber im Nazi-Milieu vermutet wird: etwa die linke Bundestagsabgeordnete Halina Wawzyniak, die Geschäftsstelle der Jusos in Schöneweide und das Anton-Schmaus-Haus der Falken in Neukölln.
Die Hauptseite des „Nationalen Widerstands“, auf der Berliner Rechtsextreme über ihre Aktivitäten berichteten sowie über Straftaten, die sie „Linksterroristen“ in die Schuhe schoben, kann seit Beginn des Jahres nicht mehr aufgerufen werden. Gegen die Betreiber beider Seiten ermittelt die Staatsanwaltschaft. Zudem läuft ein Rechtshilfeersuchen an die USA, wo der Server steht, auf dem die Seiten gehostet sind. Viele Experten gehen davon aus, dass NPD-Landeschef Sebastian Schmidtke hinter den Seiten steckt. Der hat eine Urheberschaft jedoch stets bestritten.
„Die Seiten sind nicht auf Betreiben der Polizei vom Netz genommen worden“, sagt ein Polizeisprecher der taz. Wieso dann? Hat der US-Domaindienst „Dreamhost“ wegen des Rechtshilfeersuchens kalte Füße bekommen und die Seite abgeschaltet? Anfragen der taz an Dreamhost bleiben seit Wochen unbeantwortet. Oder haben die Rechten nur versäumt, ihre Rechnung zu bezahlen, so dass ihnen gekündigt wurde? Das wäre bei der Abschaltung von gleich zwei Seiten ein großer Zufall.
Domain zum Verkauf
Vielleicht haben die Rechten die Seiten aber auch selbst abgeschaltet. Das mutmaßt der Verfassungsschutz: Ein Indiz dafür sei die Ausschreibung der „Chronik“-Domain zum Verkauf, so eine Sprecherin zur taz. Eigentlich hätten Verfassungsschutz, Staatsanwaltschaft oder Antifa-Aktivisten jetzt leichtes Spiel, hinter den Urheber der Seite zu kommen. Sie müssten lediglich zum Schein in Verkaufsverhandlungen treten.
Bei der Opposition ist die Freude über die Abschaltung verhalten. „Schön, dass die Seiten nicht erreichbar sind“, sagt der SPD-Mann Tom Schreiber. „Aber wir dürfen uns nicht der Illusion hingeben, dass das Thema damit erledigt sei.“ Er geht davon aus, dass es nur eine Frage der Zeit ist, wann die Seiten unter einem anderen Namen im Ausland wieder aufleben. „Die Rechten brauchen dieses Portal für ihre Selbstdarstellung nach außen und für ihre interne Verständigung. Die Ermittlungen müssen unbedingt weiter laufen.“
Clara Herrmann von den Grünen teilt diese Befürchtung. „Unser Wunsch wäre es gewesen, dass die Seiten durch erfolgreiche Ermittlungen abgeschaltet werden und die Urheber vor Gericht kommen. Das ist leider noch nicht geschehen.“ Dass die Rechten die Seiten abgeschaltet hätten, weil sie sich durch Ermittlungen und öffentlichen Druck verunsichert fühlten, hält Herrmann für unwahrscheinlich. „Die Anschläge auf Bezirkspolitiker von SPD und Linken in Treptow-Köpenick, auf das Asylbewerberheim in Waßmannsdorf und auf das Haus der Falken sprechen eine andere Sprache.“
Einen alternativen Anbieter für rechte Berliner Inhalte gibt es bereits mit dem im rechten Spektrum bekannten Hans-Joachim Henry aus Lankwitz. Seine Seite „Ex-K3“, die seit Jahren akribisch Nachrichten aus einem rechten Weltbild heraus interpretiert, ist allerdings weit davon entfernt, von der Neonazi-Szene als Plattform akzeptiert zu werden. MARINA MAI