piwik no script img

Fernsehteam kommt Tierquälerei auf SpurLebend gerupft fürs Daunenbett

Federn lebender Enten und Gänse füllen Kissen und Decken, berichtet ein TV-Sender und löst in Skandinavien einen Entrüstungssturm aus. Die Firmen wollen davon nichts gewusst haben.

Damit's der Mensch schön mollig hat, müssen Gänse ganz schön leiden. Bild: dpa

STOCKHOLM taz Es schläft sich herrlich auf Daunenkissen und unter der Daunendecke. Und eine Daunenjacke sorgt für mollige Wärme, wenn es kalt ist. Doch dieser Komfort hat einen Preis, über den die Branche nicht so gerne redet: Millionenfache Tierquälerei. 80 Prozent der auf dem Markt befindlichen Enten- und Gänsedaunen stammen nämlich nicht von toten Vögeln. Sie werden im Abstand von jeweils mehreren Wochen lebenden Tieren herausgerissen. Nicht nur in China, sondern trotz gesetzlichen Verbots auch innerhalb der EU. Beispielsweise in Ungarn und Polen. Auf Höfen, die für ihre Tierhaltung EU-Subventionen bekommen.

Diesem Skandal ist der schwedische TV-Sender "TV 4" auf die Spur gekommen. ReporterInnen, die unter falscher Identität und mit versteckter Kamera filmten, haben einen Bauernhof in Kiskunmajsa, im Herzen der ungarischen Enten- und Gänsewirtschaft, aufgesucht. Zu sehen bekamen sie eine Art der Daunengewinnung, die für die Tiere offenbar äußerst schmerzhaft und auch für die ArbeiterInnen stressig war. "Ich zeige ihnen jetzt, wie man die Flügel zusammenhält, damit die Vögel nicht wegfliegen", erklärte die Chefin des mobilen Daunenpflückteams, das regelmäßig die Höfe der Gegend bereist. Sie hielt dasschreiende Tier hoch, dem sie die Beine zusammengebunden hatte, und zeigte dann, wie man die Daunen erst an den Seiten, dann am Bauch und an den Beinen, dann am Hals und zuletzt am Rücken abpflückt.

Bei zahlreichen Vögeln reißt die Prozedur bis zu 10 cm lange und mehrere Zentimeter breite Wunden, die die ArbeiterInnen an Ort und Stelle mit Nadel und Faden zunähen - ohne Betäubung natürlich. 300 Vögel pflückt eine gute Arbeiterin am Tag.

Dass Daunen nicht nur von toten, sondern auch von lebenden Tieren gewonnen werden, hat wirtschaftliche Gründe. Für eine gewöhnliche Daunendecke benötigt man die Daunen von 75 Gänsen. Lebenden Tieren kann man innerhalb weniger Wochen bis zu viermal die Daunen ausreißen. Laut der in der TV-Reportage befragten Daunenpflückerin ist das erste Mal möglich, wenn das Tier acht Wochen alt ist, "sechs Wochen später sind sie nachgewachsen und können dann wieder gepflückt werden". Das fünfte Mal könne man sie dann nach dem Schlachten rupfen.

Die Daunenhändler, die "TV 4" in Schweden, Dänemark und Deutschland befragte, behaupteten alle, von dieser Art der Daunengewinnung nichts zu wissen. Doch das Fernsehteam traf den Chef der ungarischen Firma "Radai KFT", der die Daunen von anderen Händlern aufkauft und vor dem Weiterverkauf wäscht und offen einräumte: "Ja, die sind handgepflückt von lebenden Tieren." Er nannte auch einen deutschen Großhändler, an den er weiterverkauft: Die Firma Rohdex in Unterschleißheim. Als ein TV 4-Journalist unter falscher Identität bei Rohdex anrief, bekam er dort tatsächlich die Auskunft, dass man auch von lebenden Vögeln gewonnene Daunen verkauft.

Abgesehen von Tierschutzregelungen verstößt diese Behandlung der Tiere auch gegen "Empfehlungen" des Europarats, dem Ungarn und Polen angehören. Auch gibt es EU-Übereinkünfte, die das Daunenpflücken an lebenden Tieren verbieten. Doch laut dem schwedischen Landwirtschaftsminister Eskil Erlandsson, der von einer "verabscheuungswürdigen Behandlung der Tiere" spricht, gibt es bislang dagegen keine Sanktionen und deshalb kaum entsprechende Kontrollen. Erlandsson versprach, sich in Brüssel für eine Änderung dieser Praktiken stark zu machen.

Womöglich ist es effektiver, wenn die VerbraucherInnen aktiv werden. Nach der Ausstrahlung der TV-Reportage brach ein regelrechter Proteststurm los, gefolgt von Boykottaufrufen von Tierschutzorganisationen aus ganz Skandinavien. Die Anbieter von Daunenware reagierten binnen weniger Stunden. Von Ikea bis hin zum Dänischen Bettenlager und Fjällräven versprachen die Unternehmen, Daunenprodukte mit Federn lebender Vögel vom Markt zu nehmen und in Zukunft nur noch solche zu verkaufen, die nachweislich von toten Tieren stammen.

Mehrere Verbraucherorganisationen fordern nun eine genaue Kennzeichnung bei Daunenprodukten, ob die Daunen von lebenden oder toten Vögeln gewonnen worden sind. Ein Branchenvertreter, der in der TV-Reportage zu Wort kam,äußerte sich jedoch skeptisch: Es gebe im Prinzip keine Kontrollmöglichkeit, was die Herkunft von Daunen angehe. Man müsse Vertrauen in die gesamte Lieferantenkette haben. Oder eben nicht.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

19 Kommentare

 / 
  • NB
    Netty Bee

    4-Jahreszeitenbetten ohne Federn und Daunen halten genauso warm ...

  • K
    kallewirschy

    Habe gerade ein Schreiben an die Firma Rhodex abgeschickt. Sollten mehr Leute machen. Ich bin immer wieder aufs Neue entsetzt, wozu Menschen fähig sind, nur um ein paar Cent mehr verdienen zu können. Was ist nur los mit uns?

  • KG
    Kauf Gute Lebensmittel

    Ihren Kommentar hier eingeben

    Es ist schon Komisch, sehr viele reden über Tierschutz, kaufen aber immer alles günstig nein sogar Billig.

    Es gibt so viele Möglichkeiten auch Artgerecht zu Kaufen, aber in Deutschland am wenigsten weil der Verbraucher für Lebensmittel nichts bezahlen will.

    Es geht hier doch nicht um Daunen, sondern um Billiges Lebensmittel.

  • MM
    Maria Mehesz

    Rupfen von lebendigen Tiere ist nicht verboten. Österrreichische Amte kontrollieren die Firmen, die sich mit das beschäftigen, und die Firmen, die Amte sind zusammen verantwortlich dafür, dass die Gesetze nicht übertreten, die Tiere nicht quälen werden. Das, was in der Ferseher zu sehen ist, ist bißchen komisch: blutige Federn haben kein Wert, im Allgemeinen werden weiße Gänse gerupft, das Stab hat die Kontakt mit der ungarischen Amte nicht aufgenommen - fuhr nach Hause, lässt die Tiere quälen, und schikt das Geschichte nach halb Jahre (!) in Sendung. Wolltet Ihr antworten, tun nicht. Nun, frag die Reporter!

  • S
    Simba

    Hallo es ist schon sehr traurig, wie sehr Tiere für die Menschen leiden müssen! Gerade in den Oststaaten noch mehr! Doch leider fürchte ich, werden wir nicht wirklich viel ändern können, denn

    solange die Produkte billig sind, werden sie gekauft. Dabei finde ich kann gerade bei so etwas, wo es tolle Alternativen, z. B. künstliche Füllungen gibt, Tierquälerei sehr wohl einfach und probemlos vermieden werden

  • E
    Eliza

    Vielen Dank für diesen aufklärenden Bericht! Ich weiß schon lange von diesen Grausamkeiten und habe auch bemerkt, wie das alles von entsprechenden Firmen verschwiegen wird. So z.B. hatte ich einen Mailwechsel mit einer Filale des Dänischen Bettenlagers, wo man mir allen Ernstes einreden wollte, dass Pölster und Decken ohnehin mit Daunen aus Totrupf gefüllt wären. Da es mir unmöglich war, das Gegenteil zu beweisen, konnte ich leider nichts dagegen sagen. Nun endlich ist es erwiesen! Jedenfalls werde ich mich auch weiterhin, solange es mich gibt, für die Tiere einsetzen, energisch, aber friedlich, denn sie haben alle ein Recht auf ein gutes Leben (so wie wir).

  • PH
    Petra H

    Es ist schrecklich, wie vielfältig die Quälereien und Misshandlungen sind, die Tiere vom Menschen aus Konsum- und Profitgier ausgesetzt werden. Die Fantasie des Menschen, wenn es um die brutale Ausbeutung der Mitgeschöpfe geht, ist von einer grauenhaften Unbegrenztheit. Es ist gut, wenn das klar und deutlich öffentlich gemacht wird, denn nur so wird den Konsumenten klar, welche Grausamkeiten da geschehen. Diese können nicht im Sinne der Mehrheit sein!

    Danke für Artikel dieser Art!

  • A
    Antonietta

    Daunen stammen vielfach von Gänsen, die bei lebendigem Leibe an Brust, Bauch und Rumpf gerupft werden. Meist geschieht dies mit der Hand, verschiedentlich jedoch auch mit einer Trocken-Rupfmaschine. Für die Tiere bedeutet das Rupfen eine unerträgliche Quälerei. Denn den Vögeln werden alle Federn gleichzeitig ausgezogen, nicht nur diejenigen, die sich in Zuge der Mauser von selber lösen. Weidemastgänse trifft dieses Schicksal sogar mehrfach. Sie werden im Verlauf der Sommermonate drei- bis viermal "gerauft".

     

    Fragen Sie im Geschäft nach, ob die Dauenendecke oder -jacke, die man ihnen anbietet, wirklich nur mit den Federn geschlachteter Tiere gefüllt wird. Die meisten Verkäufer werden Ihnen auf diese Frage wahrscheinlich keine Antwort geben können. Doch nur so können Sie erreichen, daß sich die Industrie dieses Tierschutzproblems bewußt wird und nach Alternativen Ausschau hält.

  • A
    Anja

    Danke an die TAZ, daß sie auch dieses grausame Thema anspricht. Es verblüfft mich immer wieder aufs Neue, wie kreativ die Menschen im Entwickeln neuer Perversitäten gegenüber den Tieren sind. Federn sitzen noch viel tiefer wie Haare - also ist Federn-Rupfen auch noch viel schmerzhafter wie Haare-Zupfen.

    Und wenn die armen Tiere besonders viel Pech haben, dann werden sie (vor allem in Ungarn) auch noch gestopft - wegen der "leckeren" Leberpastete.

    Ich habe einmal den Spruch gelesen." Der Mensch ist das einzige Lebewesen das sich schämen kann - und es auch sollte." Stimmt!

  • AT
    Annemarie Trabelsi

    Hier ist konsequente Aufklärung notwendig.

    Die meisten Verbraucher haben davon einfach überhaupt keine Ahnung. Ich denke, dass sehr viele Menschen auf Daunen künftig verzichten würden und alternative Produkte kaufen. Diejenigen, denen das Leid der Tiere egal ist, kann man sowieso nicht bekehren.

    In jedem Fall müßte es aber strenge Strafen geben, gegen derartige Verstöße gegen das Tierschutzgesetz.

  • AH
    Andreas Hinz

    Wenn ich das lese, mache ich mir ab diesem Jahr am besten das gute alte mit Heu gefüllte Bettzeug. Das atmet, hält warm und duftet den ganzen Winter über gut. Und nach einem Jahr erneuere ich halt den Inhalt.

  • T
    Treba

    richtig so, taz. weiter so mit artikeln, die auch die bürgerlicheren (hoffentlich) dazu bewegen, an ihrem lebensstil was zu ändern.

    Grüße,

    treba

    (auf der suche nach veganen wanderschuhen)

  • T
    Tierrechtlerin

    Mensch taz, was ist nur mit dir los?

    Vorgestern noch den Stierkampf propagiert, gestern schon über vegane Philosopie berichtet und heute bereits kritisch bei Daunen?

    Wo soll das nur enden?

    Nein im Ernst: Wenn die taz so fortschrittlich wird, kann ich sie mir vielleicht auch wieder kaufen!

  • AH
    Alexander Huber

    Daunen können neben toten Tieren und aus Tierquälerei auch durch sammeln gewonnen werden. Soweit ich mich entsinne ist es bei den Eiderentendaunen so - nur leider recht teuer...

  • TH
    Thomas Hell

    Da es keine Kontrollmöglichkeit gibt, sollte man dann doch ganz auf Daunen verzichten. Es gibt ja schliesslich genügend synthetische Bettdecken, die genauso schön warm halten.

  • O
    onkelklaus

    Warum nicht einfach künstliche Bettenfüllungen verwenden? Dann müssen die Viecher auch nicht geschlachtet werden. Sind auch unproblematisch, was Allergien angeht und verklumpen nicht. Man braucht heute keine echten Daunen mehr.

  • GV
    go vegan

    Das ist aber neu! Wer es wahrhaben wollte, konnte dies schon lange wissen: Nutzung von Tieren ist nicht ohne Folter, Qual und Mord zu haben. So ist es nun mal.

    Darum, Leute, packt euch Veganes in eure Bettbezüge, Kleiderschränke und Kühlschränke. Niemand wird gezwungen, bei Tierquälereien mitzumachen. Jede/r kann sich selbst von Tierausbeutung befreien. Die Welt ist voll toller veganer Produkte, die es zu entdecken gibt. Viel Spaß dabei!

  • A
    Amos

    Wer mit Tieren so verfährt-nach dem Prinzip: Das tut mir ja nicht weh, müsste mit Vergeltungen rechnen, die den erleideten Schmerzen der Tiere

    gerecht werden. Weil der Mensch nun mal keine Federn

    hat; wie wäre es mit Haare ausreißen.

  • D
    daunich

    Ich nutze schon lange keine mit Daunen gefüllten Decken, Kissen etc., nicht zuletzt weil die Alternativen mit Kunstfedern viel unkomplizierter und pflegeleichter sind und außerdem weniger kosten.