Badminton: Deutscher Meister für ein Taschengeld

Badminton-Ass Wong Choong Hann ist der Star des Vereins SG Empor Brandenburger Tor. Und der Star der Bundesliga: Gegen den 13. der Weltrangliste hat deutschlandweit keiner eine Chance.

Selbst nach zehn Stunden Flug und fünf Stunden Zeitverschiebung hat Wong Choong Hann seine gute Laune nicht verloren. Seit Freitagmorgen ist der Badmintonstar aus Kuala Lumpur, der Hauptstadt von Malaysia, wieder zurück in Berlin. Am gleichen Abend schon steht er in der Turnhalle an der Samariterstraße in Friedrichshain. Hann trainiert den Nachwuchs der SG Empor Brandenburger Tor.

Rückhand steht auf dem Programm, leichtes Aufwärmtraining für das Bundesliga-Match gegen Lüdinghausen einen Tag später. Das gewinnt die SG Empor am Samstag locker mit 8:0. "Ich bin froh, dass ich wieder in Berlin bin. Mir gefällt es hier wirklich gut. Nicht nur sportlich", erklärt Hann, der Weltranglisten 13. nach dem Spiel. Der Mann aus Malaysia gilt noch immer als einer der weltbesten Badmintonspieler. Auch wenn der 31-jährige Vizeweltmeister des Jahres 2003 vielleicht nicht mehr ganz so spritzig und frisch wirkt, wie in seiner besten Phase.

Zwischendurch Turniere

Für die deutsche Badminton-Bundesliga reicht das allemal. Hann würde das natürlich so nie zugeben. Dafür ist er viel zu höflich. "Deutschland hat viel Badminton-Potenzial", erklärt der Linkshänder stattdessen. In Malaysia ist Badminton, anders als in Deutschland, echter Volkssport. Zu den Topturnieren pilgern nicht weniger als 10.000 Zuschauer. Malaysia zählt mit Indonesien, Südkorea und China zu den führenden Badminton-Nationen. Als bestes europäisches Land rangiert Dänemark auf Rang fünf. "Die Deutschen zählen allenfalls zur erweiterten europäischen Spitze", erklärt der Manager der SG Empor Brandenburger Tor, Manfred Kehrberg.

Warum also, so fragt sich die Badminton-Welt, spielt gerade ein Ausnahmespieler wie Hann in dieser Saison für den Berliner Bundesligisten SG Empor? Und das in einer versteckten Halle in Friedrichshain vor im Schnitt gerade einmal 350 Zuschauer. Sportlich ist das sicher keine Herausforderung. Ein Blick in die Spielstatistik beweist das. Von seinen bisher neun Matches in der Bundesliga hat Hann nur ein einziges verloren. Ein Doppelspiel. "Und das lag nicht an ihm", erklärt Manager Kehrberg. In keinem seiner Einzelmatches benötigte Hann mehr als die zwei Gewinnsätze. "Hann ist in der Bundesliga unter normalen Umständen unbesiegbar", sagt Kehrberg.

Also holt sich Hann die echten, großen sportlichen Herausforderungen woanders. Es sind die gut dotierten, international Top besetzten europäischen Turniere wie die German Open in Mülheim an der Ruhr, die Grand Prix Turniere in der Schweiz, England oder Frankreich. Die Swiss Open zum Beispiel sind mit 200.000 US-Dollar Preisgeld ausgelobt, der Sieger kassiert 20.000 Dollar. Und so wird Hann zwischen seinen Bundesliga-Matches immer wieder zu einer kleinen, äußerst lukrativen Europatournee aufbrechen. "Bei uns spielt er ja nur für ein Taschengeld", erklärt Manager Kehrberg.

Damit aber wenigstens das ein wenig üppiger ausfällt, legt der Deutsche Badminton Verband (DBV) noch was drauf. Es ist also eine Art Kosten-Sharing, was das Berlin-Gastspiel von Hann finanziert. Dafür trainiert der malayische Nationalspieler am Bundesleistungszentrum in Saarbrücken regelmäßig den deutschen Spitzennachwuchs.

Schon im Jahr 2007 wollte der Rechtsanwalt Kehrberg den Spieler Hann bei einem Turnier in der Schweiz von einem Wechsel zur SG Empor überzeugen. Doch damals steckte Hann mitten in den Olympiavorbereitungen für Peking 2008. "Das hatte natürlich Vorrang. Ich bekam deshalb keine Freigabe", erinnerte sich Hann. Kehrberg und Hann hielten jedoch weiter per E-Mail Kontakt. Das zahlte sich aus, für beide Seiten: Schon kurz nach den Olympischen Spielen 2008, die für Hann ohne die erhoffte Medaille endeten, wechselte er an die Spree. Kehrberg lenkte den Ostklub SG Empor Brandenburger Tor innerhalb von nur drei Jahren von der Landesliga in die Bundesliga. Es folgte zwar ein Abstieg. Aber seit sechs Jahren ist die SG Empor fest in der Bundesliga verankert.

Engagiert im Verein

Krönender Anschluss dieses rasanten Aufstiegs soll in diesem Jahr nun der Gewinn der Deutschen Meisterschaft sein. Vor allem dank eines Ausnahmespielers wie Hann, der sich auch außerhalb des Courts gern für seinen Verein engagiert. "Badmintonsport ist viel mehr als nur die Summe der Einzelspieler. Um erfolgreich zu sein, braucht man Sportler, die teamfähig sind", erklärt Kehrberg. Hann ist so einer.

Genau deshalb flitzt er vom Airport direkt in die Turnhalle an der Samariterhalle. Dann steht er geduldig am Netz und zeigt den jungen Spielern, wie es geht. Kehrberg hat da schon ganz andere Erfahrungen gemacht. Vor vier Jahren floppte kurzfristig ein Wechsel eines chinesischen Weltklassespielers nach Berlin, trotz einer Zusage. Und mit einem englischen Spitzenspieler lief es bei der SG Empor auch nicht gerade gut. Der glänzte vor allem durch offen zur Schau gestellte Gleichgültigkeit gegenüber seinen Arbeitgeber.

Hann, der mit seiner Frau und einem seiner beiden Kinder nach Berlin gereist ist, wohnt bei den Kehrbergs. Wenn er nicht in Berlin oder anderswo in Europa spielt, kocht er gern für seine Gastfamilie. Doch warum er eigentlich nach Berlin gereist ist, darüber lässt er keinen Zweifel. "Ich will Deutscher Meister werden!", sagt Hann. Die Chancen dafür stehen nicht schlecht: Zurzeit steht sein Verein auf Rang 4 der Tabelle. Damit zieht er wohl zumindest in die Endrunde ein. Saisonende ist am 30. Juni. Dann endet auch Hanns Vertrag.

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