Toter bei Generalstreik: Auf Guadeloupe explodiert die Wut

Ein Gewerkschaftsmitglied wird auf der Antilleninsel erschossen. Auch Polizisten geraten unter Beschuss. Nach vier Wochen Streik steigt die Spannung dramatisch an.

Auf Guadeloupe brennen Barrikaden. Bild: dpa

Der 50-jährige Steuerbeamte Jacques B. war nach einem Gewerkschaftstreffen mit einem Kollegen auf dem Heimweg, als sie mit ihrem Fahrzeug in einem Wohnquartier von Pointe-à-Pitre an einer von Jugendlichen errichteten Straßensperre ohne Vorwarnung beschossen wurden. Jacques B. wurde tödlich in der Brust getroffen, der andere Autoinsasse wurde verletzt. Beide sind Mitglieder des "Kollektivs gegen die Ausbeutung" (LKP), das bereits seit einem Monat mit einem Generalstreik gegen die hohen Lebenskosten das französische Überseedepartement in den Antillen völlig lähmt. Als wenig später Polizisten eingreifen wollten, wurde auch auf sie gefeuert. Drei Mitglieder der Gendarmerie wurden bei anderen nächtlichen Zusammenstößen mit sehr aggressiven und mit Gewehren bewaffneten Jugendlichen verletzt, die mit brennenden Autos und gefällten Palmen Barrikaden errichteten. Mehrere Geschäfte in der wirtschaftlichen Kapitale der Antilleninsel wurden geplündert und in Brand gesteckt.

LKP-Sprecher Elie Domota erklärte am Telefon, er sei wie alle in Guadeloupe voller Trauer und Wut über den Tod seines Gewerkschaftskollegen, für den er den französischen Staat verantwortlich macht. Paris habe Ordnungskräfte geschickt, die mehrfach in den letzten Tagen seine Leute als "sales nègres" rassistisch beschimpft und geprügelt hätten. Damit hätten die Regierung und ihr Präfekt in Kauf genommen, dass Guadeloupe jetzt am Rande der Explosion stehe. Das LKP dagegen habe unablässig zu Besonnenheit aufgerufen. Domota ist überzeugt, dass man die Zwischenfälle als Vorwand für eine brutale Repression benutzen könnte. Schon vor einer Woche hatte er im lokalen TV-Sender Canal 10 gedroht: "Sollte ein LKP-Mitglied verletzt werden, gibt es Tote. Die Békés (die Weißen in den Antillen) müssen kapieren, dass wir nicht nachgeben. Und wenn sie den Bürgerkrieg wollen, dann werden sie ihn bekommen." Dafür gibt es in der Geschichte einen tragischen Präzedenzfall: 1967 waren bei Unruhen auf Guadeloupe 87 Streikende und Demonstranten getötet worden.

Beim Generalstreik, der seit zwei Wochen auch auf die karibische Schwesterinsel Martinique übergriffen hat, geht es um die hohen Preise, um die Arbeitslosigkeit und die Benachteiligung der schwarzen Bevölkerung auf dem Arbeitsmarkt. Eine Einigung scheiterte bei den Verhandlungen an der Frage einer Lohnerhöhung von 200 Euro monatlich für die untersten Gehaltskategorien. Die Arbeitslosigkeit beträgt in Guadeloupe und Martinique je 25 Prozent, die der Jungen sogar mehr als 50 Prozent. Ein Großteil der Wirtschaft, besonders Import und Export, wird seit Jahrzehnten von denselben Béké-Familien kontrolliert.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.