Freiwillige Internetzensur der Provider: Stoppsymbol statt Kinderporno

Ursula von der Leyen hat sich durchgesetzt. Auch ohne rechtliche Grundlage wollen fünf Internetfirmen den Zugang zu Kinderpornoseiten erschweren. Ein Gesetz soll folgen.

"Zensursula", wie Ursula von der Leyen vom Chaos Computer Club genannt wird, ist nicht zu stoppen. Bild: dpa

Am Freitag unterzeichneten fünf Internetprovider in einer öffentlichen Zeremonie Verträge mit dem Bundeskriminalamt über die Sperrung von Kinderporno-Angeboten im Internet. Die CDU-Familienministerin hatte diese Verträge propagiert. "Es darf nicht sein, dass Bilder von der Vergewaltigung kleiner Kinder scheinbar problemlos im Internet anklickbar sind", sagte sie.

Die Sperrung soll in drei bis sechs Monaten beginnen und erfasst rund 75 Prozent aller deutschen Internetanschlüsse. Mit dabei sind neben Marktführer T-Online (45 Prozent Marktanteil) auch Vodafone/Arcor, Alice/Hansenet, Kabel Deutschland und O2/Telefonica. Konkret wird das Bundeskriminalamt täglich den Internetfirmen eine aktuelle Liste der gesperrten Kinderpornoseiten übermitteln.

BKA-Präsident Jörg Ziercke geht davon aus, dass er rund 1.000 Webseiten auf die Liste setzen lässt. Die Provider sorgen dann dafür, dass ihre Kunden nicht auf diese Seiten zugreifen können. Dabei werden die Domain Name Server (DNS) der Firmen verhindern, dass etwa der nachgefragte (erfundene) Seitenname www.lolita.de nicht in die erforderliche IP-Adresse (z. B. 195.44.5.25) übersetzt wird. Stattdessen wird dem Kunden ein Stoppzeichen mit Erläuterung oder eine einfache Fehlermeldung angezeigt.

Das Stoppzeichen werden zunächst Vodafone, Alice und O2 einsetzen, Telekom und Kabel Online warten auf eine gesetzliche Regelung. Der Grund: Bei der Umleitung auf eine Stoppseite wird die IP-Adresse des Nutzers gespeichert, was datenschutz- und strafrechtliche Probleme aufwirft.

Ein entsprechendes Gesetz über Internetsperrungen soll ohnehin bald kommen. Schon nächsten Mittwoch wird die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur Änderung des Telemediengesetzes auf den Weg bringen. "Dann werden 100 Prozent des Marktes erfasst", verspricht Ursula von der Leyen.

DNS-Sperren sind allerdings leicht zu umgehen. Man muss nur die genaue IP-Adresse der gesuchten Webseite kennen oder einen nicht zensierten DNS-Server im Ausland benutzen.

Dennoch hält BKA-Chef Ziercke die Zugangserschwernis für sinnvoll. "Erfahrungen aus Norwegen zeigen, dass 80 Prozent der Personen, die gesperrte Kinderpornoseiten aufrufen, Gelegenheitstäter sind. Diese lassen sich durch die Sperrung wirksam abschrecken." Nur die bis zu 20 Prozent schwer pädokriminellen Täter würden die Umgehungsmöglichkeiten nutzen. "Es ist im besten Sinne Prävention, wenn wir die durch Spam-Mails angefixte Gelegenheitstäter davor bewahren, süchtig zu werden", betonte Ministerin von der Leyen.

BKA-Chef Ziercke sagte zu, er werde genau prüfen, welche Angebote wirklich kinderpornografisch im Sinne des deutschen Strafrechts sind. "Um die pornografische Darstellung von Jugendlichen geht es im Moment nicht", betonte Ziercke. Ausländische Listen würden "nicht eins zu eins" übernommen. Im BKA werden für die Erstellung der Listen vier bis sechs neue Mitarbeiter eingestellt. "Im Zweifelsfall werden wir auf eine Sperrung verzichten", sagte Ziercke zur taz. Die Familienministerin verwies auf das Beispiel Dänemark, wo es bisher lediglich fünf Beschwerden von vermeintlich falsch eingestuften Webseiten gegeben habe. Vor dem Bundespresseamt, wo die Verträge unterzeichnet wurden, demonstrierten gestern morgen rund 300 Gegner der Internetzensur. Angesichts der nur dreitägigen Mobilisierung war die angekündigte "Mahnwache" erstaunlich groß geraten.

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