Fragwürdiger Kabinettsbeschluss: Internetsperre leicht zu umgehen

Die von Ministerin von der Leyen geplanten Internetsperren sind leicht zu umgehen. Selbst rigorosere Blockaden könnten den Zugang zu Webseiten nicht verhindern.

Ursula von der Leyen: Will sie Kinder schützen - oder doch nur Aufmerksamkeit? Bild: dpa

BERLIN taz | Am Mittwoch beschloss das Bundeskabinett einen Gesetzesentwurf, der große und kommerzielle Internetprovider dazu verpflichtet, bestimmte Webseiten zu sperren. Dass die vom Chaos Computer Club als „Internetausdrucker“ bezeichneten Gesetzgeber wenig Ahnung von der Materie, oder großes Interesse an populistischem Aktivismus haben, zeigt sich an der Durchlässigkeit der Sperre.

Eine DNS-Blockade soll den Abruf von Kinderpornografie verhindern. Die funktioniert so: Jede Eingabe einer Internetaddresse (bspw. taz.de) wird an einen DNS-Server gesendet, der dem Computer daraufhin einen Zahlencode namens "IP-Adresse", sozusagen die Anschrift des Ziels mitteilt. Nun sollen die großen Internetprovider ihre Server so einrichten, dass sie die „Adressen“ aller unerwünschten Seiten nicht mehr übersetzen. Stattdessen wird dem Nutzer ein Stoppschild angezeigt.

Das ist ein schwerer Eingriff in die Informationsfreiheit, denn die Liste der zu sperrenden Seiten ist geheim. Oder sollte es zumindest sein, der Skandal um die Veröffentlichung der australischen Sperrliste durch Wikileaks zeigt, dass sie nicht unbedingt geheim bleiben. Eine solche veröffentlichte Liste mit „Empfehlungen“ bringt dann eventuell noch mehr Menschen dazu, die Seiten zu betrachten.

Solange das Dokument aber nur bestimmten Stellen zugänglich ist, entzieht es sich jeglicher Kontrolle, was von der Politik noch so alles auf die Verbotslisten gesetzt wird. Die IT-Abteilung der schwedischen Polizei drohte einst, die Filesharing-Seite The Pirate Bay über die Kinderporno-Sperrliste unzugänglich zu machen. Die australische Regierungsbehörde für Kommunikation und Medien ging (bis zur Veröffentlichung der Sperrliste) sogar noch weiter und bemühte sich, beispielsweise Anti-Abtreibungsseiten der Öffentlichkeit vorzuenthalten. Im Internet laufen bereits Wetten, was wohl als nächstes von der Bundesregierung zensiert wird, sobald diese Möglichkeit einmal bereitsteht.

Dabei ist die Sperre kinderleicht zu umgehen. Wenn man die IP der betreffenden Seite kennt, kann man sie direkt in die Adresszeile des Browsers eingeben. Aber auch ohne dieses Wissen ist eine Umgehung der Sperre möglich. Ein Video bei Youtube zeigt, wie es in 27 Sekunden zu schaffen ist.

Dabei werden im Menü Netzwerkverbindungen die Eigenschaften der aktuellen Netzwerkverbindung angewählt und dort die Eigenschaften des Internetprotokolls. Dann trägt man die Adresse eines alternativen DNS-Servers ein. Die "Anschrift" der jeweiligen Seite wird nun einfach von einem anderen Rechner übersetzt. Der Chaos Computer Club bietet eine Liste frei verwendbarer DNS-Server an.

Auch in China wird zensiert, man will die Internetnutzer offiziell vor Pornografie und Gewalt schützen. Dazu wird der Zugriff auf die IP-Adressen unerwünschter Seiten verhindert. Das ist eine weit stärkere Beschränkung als die bloße DNS-Sperre. Die Nutzung eines Proxy-Servers durchschlägt aber auch diese, ebenso wie die deutsche Variante der Internetzensur. Ein Proxyserver ist quasi eine Rufumleitung über einen zwischengeschalteten Rechner. Damit erkennt die angezielte Webseite nicht mehr, von wem der Aufruf kommt. Ist die gesuchte Seite in dem Land, in dem der Proxy-Server steht, nicht gesperrt, ist es kein Problem sie aufzurufen. Der Proxy wird in den Netzwerkeinstellungen des Browsers eingetragen. Eine Liste solcher Server gibt es beispielsweise bei multiproxy.org. Dienste wie proxeasy.com machen die Nutzung eines Proxys noch einfacher. Die gewünschte URL wird einfach eingetippt und schon über Umweg aufgerufen. Proxy.org stellt eine Liste solcher Seiten bereit.

Dieses Prinzip verwendet auch TOR, ein Programm das mit fast allen Internetanwendungen funktioniert und jede Anfrage über eine ganze Reihe von anderen Computern leitet. Für jeden Seitenaufruf wird ein neuer, zufälliger Weg durch das Netz gesucht, so dass am Ende niemand mehr sagen kann, woher die Anfrage kam.

Und Technikmuffeln bleibt immer noch der Wechsel zu einem anderen Anbieter. Denn kleine Provider und staatliche Netze sind von der gesetzlichen Regelung ausgenommen.

Wie man sieht, ist das Ansinnen der Gesetzgeber nicht nur nutzlos, sondern kann im Falle eines Lecks, wenn also die Liste in die Öffentlichkeit gerät, den Zugriff auf fragwürdige Seiten sogar fördern. Strafverfolgung der Anbietenden wäre die effektivere Lösung im Kampf gegen Kinderpornographie.

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