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Archiv-Artikel

Die mutige Frau aus der Wüste

In der von Marokko seit 1975 besetzten Westsahara kennt jeder Aminatu Haidar. „Sahrauische Ghandi“ nennen sie die 43-jährige Frau, die nach ihrer Abschiebung durch die marokkanischen Behörden mit einem 32-tägigen Hungerstreik jetzt erfolgreich für ihre Rückkehr gekämpft hat.

Marokko hatte Haidar am 14. November den Reisepass entzogen, als sie nach der Verleihung eines Preises für Zivilcourage aus den USA nach El Aaiún, der Hauptstadt der früheren spanischen Kolonie Westsahara, zurückgekehrte. Stunden später setzten sie die zierliche Frau in ein Flugzeug ins spanische Lanzarote. Sie hätte ihre Nationalität mit „Füßen getreten“, in dem sie auf dem Einreiseformular „Sahraui“ eingetragen habe, so der Vorwurf. Das ist ein schweres Vergehen in Marokko, wo die besetzten Gebiete einfach „Südregionen“ genannt werden und es verboten ist, an der Zugehörigkeit der Westsahara zu Marokko zu zweifeln.

Haidar steht schon lange auf der schwarzen Liste der Besatzer. Bei einer Abiturreise auf die Kanaren lernte Haidar 1987 Mitglieder der Befreiungsbewegung Polisario kennen. Darauf begann die junge Frau die Besatzung durch Marokko – unter der sie seit ihrer Geburt gelebt hatte – in Frage zu stellen. Nur ein Jahr später, im Alter von 21 Jahren, wurde Haidar erstmals festgenommen. Sie hatte beim Besuch einer UN-Delegation für ein Referendum über die Unabhängigkeit der Westsahara demonstriert. Haidar verschwand ohne Verfahren für vier Jahre in einem marokkanischen Geheimgefängnis, wo sie gefoltert wurde. Nach ihrer Entlassung heiratete sie einen Mithäftling. Ihre beiden Kinder stammen aus dieser Beziehung, die bald in die Brüche ging.

2005 kam Haidar wegen eines friedlichen Protestes erneut hinter Gitter. Sie trat für 47 Tage in einen Hungerstreik. In der gesamten Westsahara gab es Solidaritätsbekundungen, die brutal unterdrückt wurden. Auf internationalen Druck kam sie frei. Neben dem Preis für Zivilcourage der Train-Stiftung erhielt sie 2008 den Menschenrechtspreis der Robert F. Kennedy Stiftung. 2008 war sie für den Friedensnobelpreis und 2005 für den Sacharow-Preis der EU nominiert.

REINER WANDLER

Ausland SEITE 13