Botschaftsfestival in Berlin: Tag der offenen Diktaturen

Beim "All Nations Festival" präsentieren sich die Länder der Welt in ihren Berliner Botschaften. In diesem Jahr sind viele dabei, die gute Publicity brauchen.

"Mit Hut und Haar" lautet das Motto des diesjährigen "All Nations Festivals" in Berlin. Wie in jedem Jahr lädt die Berliner Gesellschaft für internationale Begegnung mit Unterstützung der Berlin Tourismus Marketing GmbH und mehrerer Firmen am 4. Juli zu einer Botschaftsreise durch die Stadt ein. Berliner und Gäste können hinter die Türen der Botschaften schauen und entsprechend dem diesjährigen Motto Kopfbedeckungen aus verschiedenen Ländern der Welt kennenlernen. "Kopfbedeckungen haben in vielen Ländern dieser Erde eine Bedeutung: Modisches Statement, politischer Protest, Herrschersymbol, Sonnenschutz, Glaubensfrage", heißt es auf der Webseite des Veranstalters. Das "All Nations Festival" gibt den Botschaften die Möglichkeit, für den Tourismus in ihren Ländern zu werben, ihre Kultur und ihre Sicht auf ihr Land zu präsentieren.

Das wird gerne genutzt. Unter den diesjährigen Teilnehmern sind allerdings vier Regime, die zu den größten Menschenrechtsverletzern weltweit zählen. Etwa Burma, das seit 1962 von einer der blutigsten Militärdiktaturen beherrscht wird. Die Reise geht auch durch den Irak, aus dem Deutschland wegen der schwierigen Menschenrechtssituation gerade Kontingentflüchtlinge aufnimmt. Weiter geht es durch Simbabwe, ein Land, das im Chaos versinkt und dessen Menschenrechtssituation von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf dem EU-Afrika-Gipfel 2007 mit deutlichen Worten kritisiert wurde. Und auch Äthiopien ist mit von der Partie, wo nicht nur die Opposition brutal unterdrückt wird, sondern auch die Zivilgesellschaft mit einem neuen Gesetz ausgeräuchert werden soll.

Auch von diesen vier Staaten abgesehen liest sich die Teilnehmerliste nicht gerade wie ein Musterbuch der Demokratie. Lediglich vier EU-Staaten haben bisher ihre Teilnahme zugesagt: Und das sind Luxemburg, Malta, Slowenien und die Slowakei. Dafür mit dabei sind nicht wenige Staaten, die von Menschenrechtsorganisationen mit Menschenrechtsverletzungen wie willkürlichen Verhaftungen von Oppositionspolitikern, Verschwindenlassen und Folter in Verbindung gebracht werden: etwa Bangladesch, Malaysia und Sri Lanka.

Carsten Diercks von der Berliner Gesellschaft für internationale Begegnung, die das Festival veranstaltet, vertraut bei der Botschaftsreise auf die Mündigkeit der Berliner. Das Thema Kopfbedeckung biete eine Bandbreite politischer Diskurse bis hin zur Kopftuchdiskussion. Darin liege der Reiz und die Chance des Festivals, so Diercks: "Nicht nur aus erster Hand Informationen zu erhalten, sondern diese auch zu hinterfragen." Schließlich biete der Besuch in den Botschaften ja auch Gelegenheit, "selbst nachzufragen und in den - auch kritischen - Dialog zu treten". Sein Verein habe alle Botschaften in Berlin zur Teilnahme am Festival angefragt. Einziges Kriterium sei, dass Deutschland diplomatische Beziehungen zu dem Staat unterhalte.

Die Militärdiktatur Birma kann sich seit Jahren auf dem All Nations Festival präsentieren. Auch Simbabwe und Sri Lanka sind nicht zum ersten Mal dabei. Allerdings war der Teilnehmerkreis in den zurückliegenden Jahren ausgewogener. Auch große Demokratien wie Kanada, Indien und mehrere EU-Staaten gehörten dazu.

Der Grüne Benedikt Lux gibt den Festivalveranstaltern zu bedenken, neben den schönen Seiten der Botschaftsweltreise auch die Menschenrechtsverletzungen in einigen Teilnehmerstaaten nicht zu verschleiern. Das könne natürlich nicht durch die Botschaften selbst geschehen. Ähnlich sieht es Jens-Uwe Thomas vom Flüchtlingsrat: "In einem Teil dieser Staaten werden Menschen zur Flucht außer Landes gezwungen. Das sollte bei so einem interkulturellen Ereignis thematisiert werden."

Veranstalter Carsten Diercks

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