Themengewichtung im Öffentlich-Rechtlichen: Klinsmann-TV statt Schweinegrippe
Was? Schweinegrippe? Das Erste sendet lieber ein Spezial zum Klinsmann-Rauswurf. Wie Gerhard Delling nichts Neues berichtet und RTL zum Bildungsfernsehen wird.
Vergessen Sie bitte die Schweinegrippe, es gibt wirklich Wichtigeres im Moment. Auch wenn gerade die Medien voll sind mit der Gefahr, die aus Mexiko nach Europa schwappt: Alle Zeitungen berichteten am Dienstag ausführlich; FAZ, Frankfurter Rundschau, Süddeutsche und taz gar mit derselben Schlagzeile. Das ZDF indes sendete bereits am Montagabend eine Spezialsendung mit dem Titel "Angst vor der Schweinegrippe". Und auch das Erste ging auf Sendung; der Titel hier: "FC Bayern entlässt Klinsmann".
Statt seine Zuschauer über die Schweinegrippe zu informieren, sendete die ARD also ein vom WDR produziertes "Sportschau Extra", moderiert von Gerhard Delling - und hatte darin nichts zu berichten, was nicht schon tagsüber auf allen Kanälen rauf- und runtergenudelt wurde.
In der ersten Hälfte durfte jeder mal sagen, was er von Klinsmann und dessen Rausschmiss hält: Mehmet Scholl, Thomas Schaaf, Marco Bode, ja selbst Olaf Scholz und die Expertin für alles, Claudia Roth, durften ihren Senf dazugeben; anschließend wurde dann noch Helmut Markwort, Chef der Illustrierten Focus und Aufsichtsrat beim FC Bayern, ins Studio gehievt, um brandheiße Interna aus dem Innersten des Promi-Fußball-Clubs preiszugeben, etwa die hier: "Klinsmann hätte Trainer bleiben können, wenn er weiter gewonnen hätte." Verblüffend, oder?
Man weiß das ja inzwischen, dass Fußball ein Topthema ist in Deutschland und zuweilen zu hysterischen Anfällen aller Art führt. Aber so? Und gerade in einem öffentlich-rechtlichen Sender, von dem man doch erwarten dürfte, dass er, wenn schon eine Spezialsendung kommt, diese wenigstens zum Topthema des Tages bringt? Ach nö, da hätte man am Montagabend wohl besser Jauchs "Wer wird Millionär" auf RTL gekuckt - und vielleicht sogar noch was dazugelernt.
Leser*innenkommentare
Yakitora
Gast
" . . . und hatte darin nichts zu berichten, was nicht schon tagsüber auf allen Kanälen rauf- und runtergenudelt wurde. "
Das ZDF-special zur "Schweinegrippe" hatte auch nichts weiter zu sagen, was man nicht schon den lieben langen Tag im Radio gehört oder im Web gelesen hätte, dito die specials zu Kölner Archiv, Amoklauf usw. Und was die specials abends bringen, kann man am nächsten Morgen in komprimierter Form noch mal in der Zeitung nachlesen.
Mal dumm gefragt, wer braucht solche "specials" überhaupt?
eilsabeth
Gast
das ist nun wirklich oberpeinlich für die taz sich so gehen zu lassen. muss eine verantwortliche zeitung sich wirklich mit solchen mitteln über einen ungeliebten fussballtrainer auslassen ? es gibt immerhin zwei öffentlich-rechtliche fernsehsender, und wenn der eine schon über schweinegrippe berichtet, kann der andere ja auch was anderes machen, klinsmann, finanzkrise, ... und schließlich hat der fussball wie sonst nichts einen sommer lang die massen zum public viewing auf die strassen gebracht, was ja gar nicht so scheisse war, also warum nicht nun über den weiteren verlauf dieser angelegenheit berichten ?
ich bin enttäuscht von der taz.
vic
Gast
Das Dilemma ist doch, ich glaube wirklich dass Klinsmann mehr Quote bringt als "irgendwelche" Probleme.
Qualität gab´s dafür im Zweiten!
Dunja Hayali und Henning Mankell in Afrika.
Absolut sehenswert.
Jack Salinger
Gast
Wie man sieht: die Schweinegrippe macht auch vor den Fernsehmachern nicht halt. Erst BSE, also Gehirnzersetzung, und nun das. Was kommt als nächstes: Bayern München wird nicht mal Meister, und dann gibts ne Rostbratwürstl-Seuche?
Anna
Gast
Hallo,
igendwie liesst sich dies wie ein Privat-Blog. Journalistisch ausgefeilt klingt das nicht, eher nach wie in 10 Minuten hingeschmiert.
Zum Inhalt: lesen Sie doch einfach die Schweinegrippe-"Faktenlisten" im Netz nach, da gibts schon genug.
Oder brauchen Sie bewegte Bilder von leuten mit mundschutz und Mikroskopaufnahmen des Virus um die Lage besser einschätzen zu können?
Hier ein recht informativer Link (zwischen den Zeilen lesen ist erwünscht!):
http://www.titanic-magazin.de/news.html?&tx_ttnews[tt_news]=2880&tx_ttnews[backPid]=3&cHash=41f5579d57.
Abgesehen davon weiss ich nicht was weniger relevant ist, Kliensmann-Dauerschleifen oder Seuchenwarnung-Dauerschleifen.
Cheers
Benjamin Sourlier
Gast
achach! von der taz hätte ich da ein bisschen mehr erwartet, als sich darüber aufzuregen, dass es noch Medien gibt, die eine Alternative zum kollektiven Weltuntergangshype anbieten. Da ist folgender Artikel schon lesenswerter:
http://www.tagesanzeiger.ch/meinungen/dossier/kolumnen--kommentare/Die-chronische-Katastrophe/story/10886313
rolf obermeier
Gast
und das jetzt wo die taz selber einen sport schwepunkt integriert hat. echt ärgerlich das es trotzdem nicht reicht.
Heiko Tollkien
Gast
Irgendwie hängen die beiden dramatischen Ereignisse zusammen, und haben somit dringend notwendige Präsenz in den deutschen TV-Sendern:
Die wesentliche Frage wird doch sein, ob der "Schweini" vom FCB am Wochenende in der BL auflaufen darf, oder ob er, nachdem er auf 72 Grad erhitzt, in Quarantäne muß!?
Und warum muß ich als Spamschutz "huhn" (Vogelgrippe grüßt) eintippen und nicht "schwein"?
...aber bitte bleiben Sie ruhig!
Gast
Das Erste hat völlig richtig gehandelt und macht es leider nicht konsequent genug. Wenn ich mir die internationale Presse anschaue, ist Deutschland mal wieder das einzige Land der Welt, das Alarmismus betreibt. Genauer gesagt, die Deutsche Presse. Von morgends bis abends eine 1-er Meldung, gefolgt mit den abschließenden Worten "aber bitte keine Panik". Ganz toll, liebe Presse. Die Schweinegrippe gehört zwar in die Nachrichten, aber ganz nach hinten.
Jens H.
Gast
Nun ja, ob mir ein ARD-Spezial zur Schweinegrippe nun wirklich weitergeholfen hätte, wage ich mal zu bezweifeln. Wahrscheinlich wäre da auch nichts berichtet worden, "was nicht schon tagsüber auf allen Kanälen rauf- und runtergenudelt wurde." Also isses doch eigentlich schietegal, worüber ein Spezial gemacht wird. Denn wirklich schlauer und besser informiert war ich nach sowas noch nie. Hauptsache es gibt überhaupt ein Spezial, sonst isses doch irgendwie langweilig, oder? Von mir aus auch über irgendeinen umgefallenen Reissack in China. Denn wenn ein Spezial kommt, weiß ich: Es ist Ausnahmezustand irgendwo auf dieser Welt. Und den habe ich dann live in meinem Wohnzimmer - ganz easy, ganz sauber und echt exklusiv. Zeitzeuge sein bei 'ner Tüte Chips und 'ner Dose Bier, super! Da stören die dauernd zusammenbrechenden Live-Schalten überhaupt nicht - im Gegenteil. Die gehören möglicherweise fest zum ausgeklügelten Konzept.
Martin
Gast
Ungeachtet der Frage, ob die Berichterstattung bezüglich der Schweinegrippe nicht auch ein Stück weit Panikmache darstellt, und per se reduziert werden sollte, fällt mir besonders ein Fakt auf:
Einerseits darüber beschweren, die ARD würde nur "berichten, was [...] schon tagsüber auf allen Kanälen rauf- und runtergenudelt wurde". Aber im gleichen Atemzug fordern, dass die ARD den selben Inhalt abspulen soll, wie ZDF, RTL und alle weiteren, die auch nichts neues zu berichten wussten. Diese Logik nachzuvollziehen fällt mir schwer.
Simon
Gast
Das selbe ist mir gestern auf N24 und NTV aufgefallen. Die Zeitverteilung war folgende: Zuerst eine Stunde Sondersendung über Klinsi und danach dann - also die 3 Minuten bis zur vollen Stunde - die Meldung über die Schweinegrippe.
Interessant was da die Sender für Prioritäten haben.
Martin
Gast
Schämt Euch doch selber mit der "Entscheidung des Tages" zum Thema Fußball!
Matthias Roman Schneider
Gast
Man sollte diese vermeindliche "Schweinegrippe" nicht überinterpretieren. Es ist gegeben, dass in einer Stadt wie Mexico-City in der 24 Millionen Menschen leben, so etwas wie eine Grippe-Epedemie umgehen kann. Dass Urlauber, oder Besucher der Stadt dann krank in fernen Landen aus der Maschine steigen, ist auch nichts übernatürliches. Fakt ist doch, dass es in der Medizin garkeine einwandfreien und vor allem genaue oder fehlerfreie Methoden zur Feststellung eines Bestimmten "Grippe-Viruses" gibt. Somit ist doch nicht einmal gesagt, dass die Verstorbenen, allesamt am selben Erreger zu leiden hatten, wenn die Methodik der Medizin ein Virus nicht einhundertprozentig verstellen kann. Darüberhinaus scheint gänzlich vergessen zu werden, dass "sich gewundert würde, dass die am vermeidlichen Virus Erkrankten außerhalb von Mexiko, in den USA und Kanada, wesentlich schwächere Symptome aufiesen. Daraus liese sich schließen, dass in Deutschland mit einem noch fortschrittlicheren Gesundheitswesen, auch mit ungenauer Festlegung des Erregers, kaum ein erhötes Risiko zu bestehen hat, als würde man an einer gewöhnlichen Grippe erkranken.
- Man kann sich natürlich darüber lustig machen, dass gerade ein großer öffentlich-rechtlicher Sender einen Trainerrausschmiss in der Bundesliga vorzieht.. mit Sicherheit. Aber man sieht das doch schon fast lieber als diese übertriebene spekulative Panikmache, die sonst die Medien schon wieder dominiert. Wie bei jeder fragwürdigen Pandemie. Die Berichterstattungen sind bisweilen zusätzlich noch so sehr mit Lücken und Halbwahrheiten gespickt, dass man gar nicht mehr weiß was man glauben will und kann. Das ganze riecht fast schon wieder nach einem allgemeinen Aufruf der Pharmaindustrie, um rechtzeitig zur Inf-Saison die neuen Produkte an den Mann zu bekommen.
- Daher ist es besser mit einem fundierten Spezial vielleicht ein wenig zu warten, bis man denn eine wirkliche Botschaft an die Öffentlichkeit hat; die dann möglicherweise lauten würde: Entwarnung für Mitteleuropa, Mexikanische Grippe keine Gefahr, da man ja das dreckige Wort "Schwein" bei dem jetzt akuten Hygienewahn nicht mehr in den Mund nemen möchte.