Protest in Niedersachsen: Gegen Turbo-Abi an Gesamtschulen

Am Samstag wollen tausende Schüler und Lehrer in Hannover gegen das Schnellabi nach 12 Jahren an Gesamtschulen protestieren.

Bis zur Abiprüfung wollen Niedersachsens Schüler 13 Jahre Zeit haben. Bild: dpa

BERLIN taz "Hier wäre ich gern zur Schule gegangen", sagte der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff noch im vergangenen Jahr bei einem Besuch der Robert-Bosch-Gesamtschule in Hildesheim. Die hatte den renommierten Deutschen Schulpreis gewonnen.

Nun könnte eine von Wulff angestrebte Reform das Konzept der Vorzeigeschule ruinieren - und das der Integrierten Gesamtschulen in Niedersachsen insgesamt. Auch hier soll nun das Abitur nach zwölf Jahren eingeführt werden, noch im Juni will die Regierungskoalition aus CDU und FDP ein entsprechendes Gesetz verabschieden.

Dagegen wollen an diesem Samstag tausende Eltern, Schüler und Lehrer in Hannover demonstrieren gehen. Zahlreiche Gesamtschulen werden mit Bussen und Zügen anreisen. Auch die Robert-Bosch-Schule will geschlossen in die Landeshauptstadt kommen. Das wären allein 1.460 Schüler und 110 Lehrer. "Ich kämpfe gegen die Pläne der Landesregierung", sagt Schulleiter Wilfried Kretschmer.

Dass die Demo von der traditionell CDU-kritischen Bildungsgewerkschaft GEW unterstützt wird, ist nicht überraschend. Schon eher, dass sich auch Konservative offen gegen die Reformpläne aussprechen. Vor wenigen Wochen hat sich die Initiative "CDU-Wähler für Gesamtschulen" gegründet, die von mittelständischen Unternehmern unterstützt wird - die klassisch konservative Wählerklientel. Inzwischen haben sich auch mehrere CDU-Kommunalpolitiker in ganz Niedersachsen gegen die Pläne der eigenen Landesregierung ausgesprochen, teils weil sie selbst auf Gesamtschulen waren, teils weil ihre Kinder und Enkelkinder dort positive Erfahrungen machen.

Bisher waren die niedersächsischen Gesamtschulen vom Turbo-Abitur ausgenommen, die Schüler konnten sich im Gegensatz zum Gymnasium nach wie vor 13 Jahre Zeit lassen. Auch deshalb ist in den vergangenen Jahren die Zahl der Schüler dort massiv angestiegen - um 13 Prozent seit Einführung des Schnellabis an Gymnasien 2004.

Das verkürzte Abitur nun auch an Gesamtschulen würde allerdings, so Kritiker, das gesamte Konzept zerstören: Ein gemeinsames Lernen aller Schüler bis zur zehnten Klasse werde in Zukunft nicht mehr möglich sein, sagt GEW-Landeschef Eberhard Brandt. "Das Turbosystem bedeutet die Zerschlagung der Integrierten Gesamtschulen."

Die Robert-Bosch-Schule in Hildesheim begann bisher erst ab der siebten Klasse damit, Jahr für Jahr in einzelnen Fächern nach Leistung zu differenzieren; aber noch in der neunten Klasse haben alle Schüler 20 Stunden pro Woche gemeinsamen Unterricht. Sollte die Landesregierung ihre Reform durchsetzen, so Schulleiter Kretschmer, müsste die Schule in Zukunft die Schüler schon nach der fünften Klasse aufsplitten: in einen Turbo-Zweig und einen Rest-Zweig. "Den Gesamtschulen wird damit das Wesentliche weggenommen", sagt Kretschmer. "Ihre soziale Durchlässigkeit."

Bis vor kurzem wollte die CDU die Reform sogar schon zum nächsten Schuljahr durchboxen, inzwischen hat sie aber nachgegeben und den Starttermin für die Turbo-Gesamtschulen auf 2010/2011 verschoben. In der Sache bleibt sie aber bisher hart.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.