Debatte Bad Banks: Gut gelaunte Finanzwelt

Die Bundesregierung will Bad Banks gründen. Die Kosten dieser Rettungsaktion für die Banken wird am Ende die Mittelschicht tragen.

Der Optimismus kehrt zurück. Die Aktienkurse steigen, die Stimmung der Unternehmer erholt sich - und die Rettung der Banken ist nun angeblich fast gratis zu haben. War die Finanzkrise vor allem eine Einbildung von Pessimisten und Kapitalismuskritikern, die habituell gern schwarzsehen?

Die Antwort hängt davon ab, welchen Prognosen man geneigt ist zu glauben. So hat der Internationale Währungsfonds Ende April gewarnt, dass weltweit rund 4 Billionen Dollar abgeschrieben werden müssten. Allein bei den Banken der Euro-Zone würden Schrottpapiere von fast einer Billion Dollar lagern - davon seien aber erst 17 Prozent wertberichtigt.

Wie viel gelassener wirkt dagegen die Bundesregierung! Am Mittwoch wird das Kabinett beschließen, diverse Bad Banks zu gründen, die den Ramsch der Kreditinstitute übernehmen sollen. Die Details sind noch unklar, ebenso die Kosten. Sie dürften jedoch bei mindestens 100 Milliarden Euro liegen, es könnten aber auch mehr als 200 Milliarden Euro sein. Trotzdem wird der Steuerzahler angeblich nicht belastet - stattdessen sollen die Banken die Verluste über zwanzig Jahre abstottern. Leider bleiben Zweifel an dieser Regierungssicht. So stellt sich die simple Frage, woher die Banken das Geld nehmen sollen, um den Staat auszuzahlen.

Die Regierungsangaben sind zwar bislang vage, aber rechnen wir es exemplarisch durch: Sollten die Kosten für die Schrottpapiere tatsächlich bei 100 bis 200 Milliarden Euro liegen, dann müssten die deutschen Banken bis 2030 jährlich Rückstellungen von 5 bis 10 Milliarden Euro bilden, damit der Staat am Ende verlustfrei aus den Bad Banks herauskommt. Doch dürfte es für die Kreditinstitute schwierig werden, solch gigantischen Profite zu generieren. Zwar kam die deutsche Bankbranche 2005 und 2006 auf einen Rekordgewinn von jeweils rund 30 Milliarden Euro vor Steuern - aber dieser Gewinn speiste sich häufig aus jenen toxischen Wertpapieren, die nun in die Bad Banks ausgelagert werden sollen.

Ohne kreative Finanzprodukte ist nicht zu sehen, wie die Bankbranche zweistellige Milliardengewinne einsammeln soll. Denn das "normale" Kreditgeschäft mit Privatkunden und Firmen stagnierte selbst im Boom und bricht nun in der Wirtschaftskrise ein. Wie könnten die Banken also die Verluste aus ihren Schrottpapieren kompensieren? Weltweit bieten sich derzeit drei Strategien an - und keine ist besonders erfreulich für den Steuerzahler und Normalbürger.

Erstens: Der Staat wird zum besten Spekulationsobjekt der Banken. So hat die Deutsche Bank einen großen Teil ihres Gewinn im ersten Quartal damit erwirtschaftet, dass sie mit jenen Staatsanleihen gehandelt hat, die nötig wurden, um die Bankenrettung und die Konjunkturprogramme zu finanzieren.

Zweitens: Der Privatkunde wird ausgeplündert. Die Banken locken mit "Gewinnsparen", doch tatsächlich werden den Laien renditeschwache Produkte angedreht - für die sie aber hohe Provisionen zahlen dürfen.

Drittens: Die Banken setzen wieder auf Risiko. Denn aus dieser Finanzkrise können sie die Gewissheit mitnehmen, dass sie auch beim nächsten Crash gerettet werden. Zudem gehört es zu den bizarren Konsequenzen dieser Krise, dass die Banken durch Fusionen noch größer geworden sind - und damit erst recht "too big to fail".

Am wahrscheinlichsten aber ist, dass die Bürger schließlich doch für die Schrottpapiere zahlen müssen. Die Bad Banks der Bundesregierung sind nur ein komplizierter Umweg, um zu verschleiern, was weltweit den Kern dieser Finanzkrise ausmacht: Die Gewinne werden privatisiert und die Verluste sozialisiert.

Was aber wäre die Alternative? Kritische Ökonomen wie der Nobelpreisträger Paul Krugman schlagen vor, die Verlustbanken zu verstaatlichen. Auch viele SPD-Politiker, Linke und Grüne sind dafür. Bei der Commerzbank mag die Verstaatlichung eine gute Idee sein. Ansonsten aber scheitert diese Lösung daran, dass sich in Deutschland viele der Pleitekandidaten bereits in öffentlicher Hand befinden. Es gehört zu den deprimierenden Aspekten dieser Krise, dass nirgends so viel Papierschrott lagert wie bei den Landesbanken. Noch schlimmer: Dort haftet der Staat nicht nur mit dem Eigenkapital, sondern auch noch für einen Großteil der Verbindlichkeiten gegenüber den Kunden. Das ist ein Erbe jener "Gewährträgerhaftung", die erst Mitte 2005 abgeschafft wurde. Selbst eine geordnete Insolvenz der Landesbanken würde daher die Steuerzahler nicht schonen, bliebe der Staat doch auf Milliardenverlusten sitzen, wie das Beispiel der HSH Nordbank illustriert: Diese Katastrophenbank hat eine Bilanzsumme von rund 200 Milliarden Euro, davon sind wohl 100 Milliarden Euro Schrott, wie einer internen Liste der Bundesfinanzaufsicht Bafin zu entnehmen ist. Gleichzeitig bürgt der Staat via Gewährträgerhaftung noch für etwa 65 Milliarden. Kein Entkommen also für den Steuerzahler.

Wenn der Staat seine Verluste nicht minimieren kann - dann ist die einzige Alternative, nach neuen Einnahmequellen zu suchen. Die Regierung muss bei jenen Anlegern kassieren, die von der Spekulationsblase profitiert haben. Das sind nicht viele. Denn die meisten Deutschen haben gar kein Geld, das sie an den Finanzmärkten investieren könnten. Wie aktuelle Vermögensstatistiken ausweisen, besitzen 70 Prozent der Bürger fast nichts - nämlich zusammen nur 9 Prozent vom Gesamtvermögen. Das reichste Zehntel hingegen kontrolliert 61 Prozent aller Werte in Deutschland. Nur diese Oberschichten hatten die Mittel, um zu spekulieren und im Finanzboom Gewinne einzustreichen. Nun sollten sie auch für die Verluste aufkommen. Die Instrumente sind bekannt: Anstieg des Spitzensteuersatzes, Vermögensteuer, Erbschaftsteuer, höhere Abgeltungssteuer.

Stattdessen fabuliert die Union über Steuersenkungen. Die geplanten Bad Banks passen da bestens ins Konzept. Die Risiken werden in die Zukunft verschoben, die Reichen aber schon jetzt entlastet. So werden in der Finanzkrise nicht nur die Verluste sozialisiert - sondern auch noch die Gewinne der Oberschichten maximiert. Kein Wunder, dass der Optimismus an die Börsen zurückkehrt.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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