FDP-Antrag abgelehnt: Bundestag gegen Stasi-Überprüfung

Der Antrag der FDP auf Überprüfung aller Abgeordneten und Behördenmitarbeiter finden keine Zustimmung im Bundestag. Thierse warnt davor, die Unkultur der Verdächtigungen anzuheizen.

Noch mal alle überprüfen? Die meisten Abgeordneten sind dagegen. Bild: dpa

BERLIN dpa | Der Bundestag hat einen FDP-Antrag auf generelle Stasi-Überprüfung aller Bundestagsabgeordneten und Mitarbeiter von Bundesbehörden abgelehnt. Der Empfehlung des zuständigen Ausschusses für Kultur und Medien, den Antrag abzulehnen, stimmten am Freitag Union und SPD mit wenigen Ausnahmen sowie die Linke zu. Die Grünen enthielten sich der Stimme.

Die drei abweichend stimmenden Abgeordneten der großen Koalition sprachen von einer "richtigen politischen Willensbekundung" des FDP-Antrags, dem sie ihre Zustimmung gaben. Es bestehe dringender Handlungsbedarf bei der Überprüfung von Beschäftigten des öffentlichen Dienstes Westdeutschlands.

Anlässlich der Aufdeckung der Stasi-Zugehörigkeit des Ohnesorg- Todesschützen Karl-Heinz Kurras wurde in der Debatte unter anderem angeregt, die Erschießung des Studenten Benno Ohnesorg am 2. Juni 1967 in West-Berlin und mögliche Stasi-Verstrickungen in der damaligen Studentenbewegung mit dem SDS-Ideologen Rudi Dutschke an der Spitze, auf den am 11. April 1968 ein Attentat verübt wurde, näher zu überprüfen.

Für die FDP zeigt der Fall Kurras, "welche Brisanz in den Akten noch schlummert". Inzwischen hat die Bundesanwaltschaft angekündigt, die Stasi-Unterlagen zu diesem Fall zu prüfen. Der Generalbundesanwalt könne zuständig sein, wenn ein vom DDR-Ministerium für Staatssicherheit angeordneter Auftragsmord vorläge, wofür es aber bisher keine Anhaltspunkte gebe.

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) warnte in der Parlamentsdebatte am Freitag davor, "die Unkultur der Verdächtigung noch anzuheizen", die einer sachlichen Aufarbeitung der Stasi-Unterlagen nur schade. Auch sei der FDP-Antrag nicht von der gegenwärtig gültigen Rechtslage gedeckt. Die Überprüfung von Personen mit herausragender Position sei bereits möglich.

Außerdem sei der "Forschungsschwerpunkt West" einer der am besten erforschten Bereiche der Birthler-Behörde. Thierse regte an, in konkreten, genau eingegrenzten Themenbereichen Nachforschungen über mögliche Stasi- Verstrickungen anzustellen wie zum Beispiel beim Nato-Doppelbeschluss oder der Schleyer-Entführung.

Die CDU-Abgeordnete Maria Michalk betonte, für ihre Fraktion komme ein Schlussstrich unter die Aufarbeitung der Stasi-Vergangenheit nicht in Frage, der FDP-Antrag sei aber populistisch. Bei einer persönlichen Überprüfung von Parlamentariern müsse deren persönliche Einwilligung vorliegen.

"Besser wäre es natürlich, die Täter sagten selbst, was war und was ist und lassen sich nicht alles aus der Nase ziehen. Aber das wird wohl nur eine Hoffnung bleiben." Sie appellierte an die Bürger, "den Mut zu finden, in ihre eigene Akten zu schauen und so Verstrickungen aufzudecken, die wir sonst nie erfahren würden, und das gilt auch für Abgeordnete".

Auch die Forschungsarbeit der Birthler-Behörde müsse verstärkt werden, das gelte auch für das "Projekt Schnitzelmaschine" mit den über 50 000 Säcken voller zerstückelter Stasi-Unterlagen.

Lukrezia Jochimsen von der Linken betonte, ihre Fraktion sei stets für eine umfassende Aufarbeitung der Stasi-Unterlagen eingetreten, der FDP-Antrag setze aber auf "Demagogie und Gerüchte". Bessere Arbeit könnte zukünftig im Bundesarchiv geleistet werden. "Ehrlich gesagt, eine Stasi-Verstrickung von Konrad Adenauer würde mich schon interessieren, obwohl wesentliche Erkenntnisse nicht zu erwarten sind."

Der Grünen-Abgeordnete Wolfgang Wieland kritisierte "die Süffisanz einer Fraktion, die die Stasi-Akten angelegt hat, da können Sie sich noch soviel umbenennen".

Für die FDP sagte der Abgeordnete Christoph Waitz, seine Fraktion wolle "nichts anderes als die fundierte und wissenschaftliche Klärung, in welchem Ausmaß politische Entscheidungen beeinflusst wurden". Ganz besonders wolle die FDP aber eine "Gleichbehandlung von Ost und West bei der Aufarbeitung des Stasi-Unrechts", dabei hätten die Bundestagsabgeordneten auch eine "Vorbildfunktion".

Die DDR habe ein vitales Interesse daran gehabt, "bestimmte politische Kräfte im Bundestag zu fördern". Und niemand könne ernsthaft wollen, "dass diese ehemaligen West-IMs noch heute an sensiblen Stellen eines Bundesministeriums arbeiten", meinte Waitz.

Der FDP-Abgeordnete Hans-Joachim Otto regte einen gemeinsamen Antrag aller fünf Bundestagfraktionen zur besseren Stasi-Aufarbeitung auch im Westen an.

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