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Netanjahu bereit zu Palästinenserstaat"Niemand in Israel will Krieg"

Der israelische Ministerpräsident hat sich erstmals für einen Palästinenserstaat ausgesprochen. Netanjahu nannte mehrere Bedingungen, darunter eine Entmilitarisierung.

"In meiner Vorstellung leben zwei freie Völker Seite an Seite, jedes mit dem anderen, jedes mit seiner eigenen Flagge und Nationalhymne." Bild: dpa

JERUSALEM taz | Israels Premierminister Benjamin Netanjahu ist grundsätzlich bereit, einen Palästinenserstaat zu akzeptieren. In seiner mit Spannung erwarteten Grundsatzrede am Sonntag Abend in der Tel Aviver Bar-Ilan Universität stellte er jedoch eine ganze Reihe von Bedingungen, um ein weiteres "Hamastan" und eine "Basis für den Terror" an der Seite Israels zu verhindern. Dazu gehören internationale Verpflichtungen, dass es im künftigen Staat Palästina keine Armee geben wird und dass die Grenzkontrolle allein in israelischer Hand bleiben wird.

Netanjahu wandte sich versöhnlich sowohl an die Palästinenser als auch an das Weiße Haus. Die große Herausforderung für die westliche Welt sei die iranische Atombedrohung, begann er seine etwa 30minütige Ansprache. Erst an zweiter Stelle bezog er sich auf den Friedensprozess. "Ich unterstütze die Anstrengungen von US-Präsident Barack Obama, einen regionalen Frieden im Nahen Osten zu schaffen." Die Beziehungen zwischen Jerusalem und Washington waren in den vergangenen Wochen über die Frage des israelischen Siedlungsbaus und der Zwei-Staaten-Lösung stark angespannt.

Eine grundsätzliche Bereitschaft des israelischen Regierungschefs zum Palästinenserstaat war Voraussetzung für eine Fortsetzung der Kooperation zwischen beiden Staaten. Gegenwind kam allerdings von den Koalitionspartnern in Jerusalem und aus den Reihen der eigenen Likud-Partei. "Wenn die Zwei-Staaten-Lösung die einzige Lösung ist, dann gibt es eben keine", resümierte Benni Begin, Sohn des legendären Premierministers Menachem Begin. Mit Blick auf den Siedlungsausbau versprach Netanjahu, weder neue Siedlungen zu bauen noch bestehende zu vergrößern, allerdings behielt er sich vor, dem "natürlichen Wachstum" Antworten zu bieten.

"Ich wende mich an die arabischen Führer in der Region", sagte Netanjahu, "und bin bereit, jeden von Euch zu treffen, in Damaskus und in Beirut". Mit Hilfe arabischer Investoren sollten Israel und die Palästinenser gemeinsam die Industrie entwickeln, "Tausende Arbeitsplätze schaffen" und das touristische Potential der Region ausschöpfen. "Wir wollen in Frieden leben", sagte er. "Niemand in Israel will Krieg."

Um dem Konflikt ein Ende zu bereiten, müsse man nach den Wurzeln fragen, leitete Netanjahu zu seiner zweiten zentralen Bedingung für einen künftigen Frieden und die Zwei-Staaten-Lösung über. Die "einfache Wahrheit" sei die "arabische Verweigerung, Israel als jüdischen Staat anzuerkennen". Wer glaube, dass "unsere Anwesenheit" im Westjordanland Grund für den Mangel an Frieden sei "verwechselt Ursache und Symptom".

Die Forderung auf eine Anerkennung Israels als jüdischen Staat ist nicht neu. Schon im Frühjahr hatte Netanjahu eine Fortsetzung der Verhandlungen über eine Zwei-Staaten-Lösung an diese Bedingung geknüpft. Palästinenserpräsident Machmud Abbas lehnte mit dem Argument ab, dass nicht er für die Definition des Staates Israel zuständig sei, sondern die Israelis selbst.

Das Recht der Juden auf den Staat Israel, so setzte Netanjahu hinzu, ergebe sich nicht aus der Verfolgungsgeschichte, sondern "Eretz Israel ist das Land unserer Vorväter". Deshalb werde es auch im Rahmen einer Friedensregelung keine Rückführung der palästinensischen Flüchtlinge nach Israel geben, denn das "würde die Zukunft des Staates als Judenstaat gefährden".

Beide Völker müssten friedlich Seite an Seite leben, nur hätten sich jedesmal, wenn sich Israel dem Frieden näherte, die Palästinenser von ihm entfernt. "Wir sind bis auf den letzten Zentimeter aus dem Gazastreifen abgezogen und haben einen Regen von Raketen zum Dank bekommen."

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16 Kommentare

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  • V
    vic

    Netanjahu macht dieses Angebot nur, weil er weiß was es wert ist, und dass es keinesfalls angenommen werden kann.

    Ein Placebo für den Rest der Welt.

  • C
    Carlos

    Es ist unerträglich, wenn hier z.T. pauschal das gesamte palästinensische Volk mit der Hamas gleichgesetzt wird, und so gerechtfertigt werden soll, dass man den Palästinensern einen funktionsfähigen Staat (oder überhaupt einen Staat) vorenthalten kann.

     

    Wer so argumentiert, will gar keine Übereinkunft!

    Der will nur rechtfertigen was nach politischen, rechtlichen und moralischen Maßstäben inakzeptabel ist.

     

    Was Netanjahu und seinen politischen Freunden vorschwebt, ist doch im Grunde einfach nur "DAS RECHT DES STÄRKEREN".

  • JR
    Josef Riga

    Es wird keine Zwei- sondern nur eine ein-staatenlösung geben. Genau wie 1989 in Südafrika.

  • A
    aso

    @ t.s.:

    „...Das einzig "revolutionäre" in Netanjahus Rede war die Verwendung des Begriffs der 'Zweitstaatenlösung...“

    Das dürfte die Hamas nicht interessieren, da sie die „kein Staat Israel-Lösung“ bevorzugt, inklusive Massakkrierung aller Juden und Jüdinnen weltweit. Vermutlich sind damit auch Kinder und Babys gemeint.

    Welche Punkte hält denn die Hamas für verhandelbar?

    Könnten Sie da welche nennen?

    Die Anerkennung Israels als jüdischen Staat ist eine Selbstverständlichkeit die nicht diskutiert werden muß. Wer in seiner selektiven Wahrnehmung nicht verfolgt hat, daß dieser Staat bereits seit 48 besteht, bekommt auch sonst von den Realitäten nichts mit:

    Nehmen wir an, Israel und Fatah einigen sich auf eine Zweistaatenlösung in der Westbank:

    Israel soll dann gefälligst diesen Pali-Staat anerkennen, die Anerkennung Israels würde aber von den Palis abgelehnt?...Auf dieser inakzeptablen Grundlage kann man nicht verhandeln. Das ist unzumutbar.

    PS.: Daß Frieden möglich ist zeigen die arabischen Nachbarn Jordanien und Ägypten.

    Was andere arabische Nachbarn vorschlagen ist irrelevant, da die Vorschläge von Israel und Palis getragen werden müssen.

    Selbst wenn mit gemäßigten Palis eine Lösung machbar wäre: Hamas, Hizbollah und der Irre aus Teheran würden nicht mitspielen...

  • T
    t.s.

    Man muss anerkennen, dass sich Frau Knaul mit ihrer Vorstellung von 'Journalismus' - die darin besteht, brav die Verlautbarungen der jew. staatlichen Führung weiter zu melden - sicher auch für ähnliche Positionen in Birma, Nordkorea oder den Iran qualifiziert hat.

    Auch dort legen die Machthaber bekanntlich keinen Wert darauf, dass die Ziele ihrer friedliebenden Fürsorge - in Palästina die Araber, die der israelische Staat seit 40 Jahren von deren Freiheit und Land- sowie Wasser-Resourcen befreit - zu Wort kommen - so auch Frau Knaul.

     

    Das einzig "revolutionäre" in Netanjahus Rede war die Verwendung des Begriffs der 'Zweitstaatenlösung' - um die er nach Kairo wohl nicht herumkam.

    Da er in derselben Rede alle Punkte als nicht verhandelbar erklärte, die einer solchen Lösung diametral entgegen stehen, entbehren die positiven Rezeptionen der Rede jeder sachlichen Grundlage.

    Nicht zu vergessen, dass er - nicht zum ersten mal - auf der Anerkennung Israels als 'jüdischem Staat' besteht, was die rund 20% der Nichtjuden, die im 48'er Israel leben, völlig zurecht als Drohung verstehen.

     

    PS.: Das Angebot einer Anerkennung Israels in den Grenzen von 48 ist von den arabischen Nachbarn bereits zweimal an Israel ergangen. Zugegeben, solche Informationen zu verbreiten läuft dem israelischen Opfer-Narrativ zuwider.

     

    PPS.: Statements von Palästinensern zu Netanjahus 'Ängebot' kann man u.a. bei IMEU finden.

  • M
    moi-même

    Ich bin auch kein großer Fan von Netanjahu (und schon gar nicht von Lieberman und Israel Beitenu), aber wo er Recht hat, hat er Recht. Solange die Nachbarstaaen und die arabischen Regierungen sich weigern, Israels Existenzrecht anzuerkennen, wäre jede israelische Regierung völlig irrational, die einen palästinensischen Staat akzeptieren würde. Wer will sich schon zusätzliche Feinde schaffen? Die Friedensabkommen mit Ägypten und Jordanien zeigen, dass Frieden mit Israel möglich ist, wenn sich die umliegenden Staaten und auch die Palästinenser endlich entscheiden, Israel anzuerkennen. Solage die Palästinenser weiterhin glauben, dass die Juden irgendwann zurück nach Europa gehen, und solange Hamas den Tod aller Jüdinnen und Juden auf der ganzen Welt fordert, wird es keinen Frieden geben. So einfach ist das leider.

  • P
    Paul

    Wenn da mal nicht einer sehr nationalistische Gedanken hat oder Herr Netanjahu?

    So ein Land macht man dann doch nicht touristisch attraktiv.

     

    Die Palästinenser haben genauso das Recht auf einen eigenen Staat mit dem was sie für notwendig halten wie die Israelis. Sollte Israel verhindern, dass die Palästinenser in ihrem Staat dann Militär haben, werden sich ganz schnell Guerillatruppen formen...

  • H
    hamacka

    Keine Rede sondern eine Farce. Schade zu sehen, wie einseitig dieser politische Schachzug im taz-artikel behandelt wird (siehe Überschrift). Die Beschwichtigungsnummer Netanjahus ist wohl überall angekommen; das in Deutschland so groß geschriebene "zwischen den Zeilen lesen" wird in diesem Fall gerne mal vergessen.

  • S
    Stefan

    Interessante Forderung, dass die jüdischen Bewohner des Westjordanlands dieses verlassen sollen, damit es Frieden geben könne. Wo bitte bleibt die Forderung, dass alle Araber Israel verlassen müssten, damit es Frieden geben könne? Wäre doch konsequent, oder?

  • UR
    Udo Radert

    "Niemand in Israel will Krieg" - ja genau und es hatte ja bekanntlich auch "niemand die Absicht eine Mauer zu errichten".

     

    Damit ich nicht falsch verstanden werde:

     

    Sicher haben fast alle Israelis den Wunsch nach Frieden - aber eben nur "fast" alle. - Es gibt nun mal auch Hardliner, die das Problem mit Gewalt und damit also auch Krieg lösen möchten - genauso, wie unter den Palestinänsern übrigens auch.

     

    Und manche von diesen Hardlinern sitzen (wieder auf beiden Seiten) in doch recht einflußreichen Positionen.

     

    Insofern ist das "Niemand will Krieg" doch sehr unglaubwürdig, vor allem, wenn man sich mal die "rechtskonservative" (um mal kein anderes Wort zu gebrauchen) Partei von Lieberman anschaut.

  • A
    agoptron

    Wie nicht anders zu erwarten setzt Netanjahu dermaßen hohe und unerfüllbare Hürden das der ganze Prozess von vornherein zum scheitern verurteilt ist.

     

    Nichts neues also, die ultranationalistischen Kräfte in Israel wollen diese Lösung nicht und torpedieren diese auf jede nur erdenkliche Art und Weise. Ich bin gespannt wie Obama darauf reagieren wird.

  • IN
    Ihr Name CH

    Eine sehr gute Rede von Netanjahu. Die Palestinänser sollten endlich die Gelegenheit ergreifen, und Israel entgegenkommen.

  • HU
    Hinz und Kunz

    Toll. Wer dieses "Angebot" ernsthaft als großen Schritt nach vorn lobt, ist offensichtlich nicht mehr ganz bei Trost - dass EU und USA sich schon in Begeisterung überbieten ist entlarvend und zeigt wie wenig ernst es ihnnen immer mit der forderung nach einem Palästinenserstaats war. In Wirklichkeit will man eben doch nur Israels fragwürdige Interessen durchsetzen...

  • F
    FrederikeMK

    Was Netanjahu will, ist eine Art 'Indianerreservat' für die Palästinenser.

    Von Menschenwürde, Gleichberechtigung oder gar autonomem Staat ist nicht die Rede.

    Wenn sich Obama über diese Rede Netanjahus wirklich freuen sollte, macht Obama sich endgültig lächerlich.

    Und hätte sich sein Gesäusel in Kairo sparen können.

    Wieso darf Israel sich eigentlich offensichtlich alles erlauben?

    Für ein Palästina in den Grenzen von 1967, nur so wird es Frieden geben.

  • A
    Andreas

    Diese Rede ist entlarvend, weil sie hinter Rabin/Peres/Arafat fällt und zudem die Palästinenser in ihrem Nicht-Zustand halten will. Dass Neanjahu die Siedler nicht stoppen oder beenden will, wird die gesamte Rede zu einer Null-Nummer machen. Wenn Obama damit zufrieden ist, wird ihm keiner seine Kernbotschaft aus Kairo mehr abnehmen und Islamisten werden ihren Lieblingsfeind umsoschärfer ins Visier nehmen.

    Wenn es eine Chance für Frieden gab, dann hat Netanjahu woll bewusst alles daran gesetzt, sie zu verpsielen.

    Ich denke, dass Israel aus freiwilligen Stücken nicht bereit sein wird, die Siedler und Siedlungen aufzugeben. Und das ist schade, weil sie der Kern des Problems sind. Wenn die Siedler nicht verschwinden, wenn Jerusalem nicht weiter judaisiert bzw. israelisiert wird, wird es keinen Frieden geben. Dann wird die Gewalt gegen Israel andauern vielleicht auch intensiver werden.

    Die Palästinenser müssen einfach ihre West-Bank erhalten und zwar ohne Siedler, ohne Mauer und ohne Check-Points und israelischem Geheimdienst.

    Alles andere wird nicht funktionieren - welches Land akzeptiert einen Status als Staat ohne wirklich Staat zu sein? Das ist doch unwahrscheinlich und unrealistisch. Gerade die Palästinenser brauchen jetzt ihren Staat - alles andere fördert doch nur Chaos, Islamismus und die Hamas.

  • M
    michaelbolz

    Israels Geburtsort ist die Wanderung, selbst Gott wurde auf der Wanderung geboren. Jetzt steht Israel wie ein tödlicher Eichenholzschrank im fremden Wohnzimmer und wehrt sich mit Selbstschussanlagen gegen die Versuche der Bewohner, das Monstrum wiederum mit Gewalt auf die Straße zu stellen.

    Draufgepapt: Zu verschenken!

    Unsere Verantwortung besteht ausschließlich darin: Israel genau daran zu erinnern.