Der Bildungsstreik: Schluss mit dem Schmalspurstudium

Die demonstrierenden Studenten und Schüler sind ein bunter Haufen. Viele ihrer Forderungen sind unrealistisch - aber populär.

DemonstrantInnen vor der Staatskanzlei in Düsseldorf. Bild: dpa

BERLIN taz | Ob es am Ende die angekündigten 150.000 SchülerInnen und Studierenden werden, die sich an den Protesten beteiligen, kann zum Auftakt der "Bildungsstreik"-Woche keiner sagen. Und ob die Aktion ein Erfolg wird, auch nicht. Aber was wäre überhaupt ein Erfolg?

Schüler und Studenten gehen mit Höchstforderungen auf die Straße. Gegen das in den Augen vieler zu verschulte Bachelor-und Masterstudium treten die Studenten an. Und gegen Studiengebühren. Die Schüler treibt es vor allem gegen das Abitur nach zwölf Schuljahren auf die Straße, für kleinere Klassen und ein längeres gemeinsames Lernen als nur bis zur vierten Klasse. Beide Gruppen wollen mehr Geld für die Bildung - gerade jetzt in der Krise.

In einer Woche lässt sich all das kaum herbeifordern oder wegprotestieren. Allerdings ist vieles von dem, was die Schüler und Studenten sich wünschen, auch in weiten Teilen der Bevölkerung populär. Gegen das nun in fast allen Bundesländern flächendeckend eingeführte Turbo-Abitur wettern nicht nur tausende von Eltern, sondern auch die Bild-Zeitung oder der TV-Talker Reinhold Beckmann.

Und das angebliche Schmalspurstudium in den neuen, sechssemestrigen Studiengängen kritisieren sowohl der linke Sozialforscher Peter Grottian als auch der Chef der Unternehmensberatung Roland Berger, Burkhard Schwenker. In Umfragen unter Studenten hat sich das Image des Bachelors seit seiner Einführung stets verschlechtert, inzwischen steht ihm die Mehrheit skeptisch gegenüber. Denn die Abbrecherquoten in den Bachelorstudiengängen sind zum Teil noch höher als vorher. Und Auslandsaufenthalte lassen sich schwerer in das gedrängte Studium integrieren - dabei war eines der Hauptziele der Reform Internationalisierung.

Kein Wunder also, dass die Protestierenden Unterstützung bekommen, nicht nur von der Bildungsgewerkschaft GEW und der Gewerkschaft Ver.di. "Wir brauchen viel mehr Geld für gute Bildung, gerade in Zeiten der Wirtschaftskrise", sagt Grünen-Fraktionschefin Renate Künast, die sich diesen Dienstag mit den Streikinitiatoren treffen will. "Es gibt viele gute Gründe, zu protestieren", sagt auch Rolf Dobischat, Präsident des Studentenwerks. "Studiengebühren, aber viel zu wenige Stipendien, eines der sozial selektivsten Hochschulsysteme weltweit, Studierende, die sich als ,Kunden' ihrer Hochschule und nicht als Mitgestalter begreifen sollen."

Sogar Reformbefürworter wie der Präsident der FU Berlin, Dieter Lenzen, geben sich gegenüber den Protestierenden offen. Das verwundert, schließlich ist Lenzen auch Berater bei der neoliberalen Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft. Doch bei der Forderung, dass Forschung und Bildung auch in der Krise höchste Priorität genießen sollten, ist er bei den Demonstranten. Die "Zukunft einer ganzen Generation und mit ihr diejenige unserer Gesellschaft" stehe auf dem Spiel, schreibt er in einem Rundbrief - und bittet die Dozenten, den Studenten "keinen Nachteil erwachsen zu lassen", wenn diese sich am Mittwoch am zentralen Aktionstag beteiligen.

Auch die Protestfront ist alles andere als einheitlich. Unter den Bildungsstreikern gibt es unterschiedliche Auffassungen darüber, wie radikal die Aktionen ausfallen sollen. So propagiert etwa die Hochschulgruppe der Linkspartei ("Linke. SDS") einen symbolischen Banküberfall, bei dem ein Rettungspaket für die Bildung eingefordert werden soll. Auch die Kultusministerkonferenz Ende dieser Woche muss mit Besuch rechnen. Schließlich ist der 19. Juni ein symbolträchtiger Tag: An diesem Tag haben 1999 die europäischen Bildungsminister in der italienischen Stadt Bologna die Komplettreform der Unis mit einheitlichen Abschlüssen beschlossen.

Die Protestaktionen rufen auch Gegner auf den Plan - es sind die üblichen Verdächtigen. Der vom Ring Christlich-Demokratischer Studenten geführte Asta der Uni Bonn warnt vor "linken Chaoten, die nur auf Krawall aus sind". Und der Philologenverband Baden-Württemberg wittert einen "ideologisch geführten Feldzug gegen das gegliederte Schulsystem".

Es könnte eine interessante Woche werden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.