Kommentar Iran: Später Rückzieher des Wächterrats

Die Geschehnisse im Iran lassen sich nur so interpretieren, dass sich innerhalb des Wächterrats erste Risse auftun. Für die Protestierenden ist das ein erster Etappensieg.

Morgens meldet das iranische Staatsfernsehen, der Wächterrat habe Unregelmäßigkeiten bei der Präsidentschaftswahl zugegeben. Abends verbreitet die staatliche Nachrichtenagentur, der Wächterrat habe eine derartige Feststellung nicht getroffen. Das lässt sich nur so interpretieren, dass sich innerhalb des Wächterrats erste Risse auftun. Auch wenn sich am Gesamtergebnis nichts Grundsätzliches ändert: Die morgendliche Meldung wird weitreichende Konsequenzen haben. Für Revolutionsführer Ali Chamenei bedeutet sie einen erheblichen Verlust an Autorität.

Er war es, der voreilig, und zwar bevor der Wächterrat die Zählung der Stimmen autorisiert hatte, von völlig korrekten Wahlen sprach und dem angeblichen Wahlsieger Mahmud Ahmadinedschad zu seinem Erfolg gratulierte. Er nannte sogar die Zahl der Stimmen von 24 Millionen, die für Ahmadinedschad abgegeben worden sein sollen. Damit nicht genug. Nachdem er unter dem Druck der Protestierenden den Wächterrat angewiesen hatte, eine Überprüfung der Zählung vorzunehmen, wiederholte er am vergangenen Freitag seine Gewissheit von der Korrektheit der Wahl, ohne das Ergebnis der Überprüfung abzuwarten. Er drohte sogar den Demonstranten, die gegen die Fälschung protestierten, Gewalt einzusetzen. In der Islamischen Republik würden Wahlen nie gefälscht, behauptete er. Wie lange, fragt man sich, kann sich der erste Mann im Staat, der sogar den Anspruch auf die Führung der schiitischen Geistlichkeit erhebt, noch im Amt halten, wenn er so offensichtlich Fälschungen zu vertuschen versucht und das Recht der Bürger missachtet?

Für die Protestierenden ist der gestrige Tag ein erster Etappensieg. Sie merken, gegen eine Macht, die sich auf Waffen stützt und diese auch einzusetzen droht, ist Widerstand möglich. Es wird sie ermutigen, weiterzumachen, bis sie Neuwahlen durchgesetzt haben.

Festzustellen ist, dass das Eingeständnis viel zu spät kommt. Hätten die Machthaber nach den ersten Protesten eine Überprüfung angeordnet, wäre die Lage nicht so eskaliert. Der späte Rückzieher könnte zumindest für den Revolutionsführer der Anfang vom Ende sein.

Man erinnere sich an die Worte des Schahs, der damals ebenfalls zu spät und erst als der Aufstand längst im Gang war erklärte, er habe die Botschaft der Revolution vernommen. Wenige Monate später stürzte sein Regime.

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