Krise im Iran: Wächterrat lehnt Wahlannulierung ab

Der iranische Wächterrat gibt zwar zu, dass es bei der Wahl Unregelmäßigkeiten gab, lehnt eine Annulierung jedoch ab. UN-Generalsekretär Ban fordert ein Ende der Gewalt.

Für ihn läuft alles gut: Der offiziell wiedergewählter Präsident Ahmadinedschad beim Freitagsgebet. Bild: dpa

BERLIN/TEHERAN taz/ap | Der iranische Wächterrat hat das offizielle Ergebnis der umstrittenen Präsidentenwahl bekräftigt und eine Annullierung abgelehnt. Bei einer Überprüfung seien Unregelmäßigkeiten festgestellt worden, sagte am Dienstag ein Sprecher des Wächterrats, Abbas Ali Kadchodaei.

Der staatliche Fernsehsender Press TV hatte den Sprecher am späten Sonntagabend mit den Worten, in 50 Wahlbezirken seien drei Millionen Stimmen mehr abgegeben worden als es Wahlberechtigte gegeben habe, zitiert. Dies ändere jedoch nichts an dem Sieg des amtierenden Staatspräsidenten Mahmud Ahmadinedschad.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon rief die Regierung in Teheran zu einem Gewaltverzicht und zur Einhaltung von Grundrechten auf. Die Verhaftungen von Oppositionellen müssten ein Ende haben, sagte seine Sprecherin Michele Montas am Montag in New York. "Er ruft die Behörden auf, die grundlegenden bürgerlichen und politischen Rechte zu respektieren, besonders die Meinungs-, Versammlungs- und Informationsfreiheit."

Am Montagnachmittag hingegen meldete die deutsche Nachrichtenagentur dpa unter Berufung auf die iranische Agentur Irna, der Wächterrat habe den Fernsehbericht dementiert. Die Unstimmigkeiten seien nicht das Ergebnis der Überprüfung, sondern nur der Vorwurf der unterlegenen Kandidaten. Falls der Wächterrat tatsächlich dieses Dementi herausgegeben haben sollte, wäre das ein Indiz für einen Machtkampf im Wächterrat oder für eine Intervention des Revolutionsführers Ali Chamenei.

Bis zu diesem Dementi jedenfalls hatten die Protestierenden allen Grund, das Zugeständnis des Wächterrats als Erfolg zu verbuchen. Doch sich zufriedengeben wollten sie sich damit nicht. Bereits vor der Ankündigung des Wächterrats veröffentlichte der frühere Staatspräsident Mohammed Chatami eine Erklärung, in der es heißt, es sei "keine Lösung, Beschwerden an Gremien zu übergeben, die die Rechte der Menschen beschützen sollen, aber selbst Ziel von Kritik sind".

Friedliche Proteste seien das Recht des Volkes, das jedermann respektieren müsse. Auch der unterlegene Kandidat Mir Hossein Mussawi verteidigte das Recht zum friedlichen Protest und schrieb auf seiner Webseite: "Das Land gehört euch. Gegen Lügen und Betrug zu protestieren, ist euer Recht." Kein Wunder also, dass die Proteste am Montag fortdauerten.

Auch am Montag kursierten Berichte über verhaftete Politiker und Journalisten. Dagegen kamen Familienmitglieder des früheren Präsidenten Haschemi Rafsandschani, den die Islamisten als eigentlichen Verantwortlichen der Unruhen betrachten, wieder frei. Offenbar sollte die vorübergehende Festnahme eine Warnung sein.

Nach wie vor sind die Kommunikationsmittel stark eingeschränkt. Zahlreiche ausländische Journalisten wurden ausgewiesen, andere in ihrer Arbeit erheblich behindert.

Das Regime erwägt auch die Ausweisung europäischer Diplomaten. Außenamtssprecher Hassan Ghaschghawi sagte am Montag, über diese Maßnahme werde derzeit in seinem Haus sowie im Parlament beraten.

Offenbar erwägt das Parlament außerdem eine Überprüfung der Beziehungen zu Großbritannien, Deutschland und Frankreich.

Aber die Macht, die die Regierung durch solche Maßnahmen demonstrieren möchte, verliert an Glaubwürdigkeit, wenn man sieht, dass immer mehr Angehörige des Establishments die Demonstranten unterstützen. Am auffallendsten war der Auftritt des Parlamentspräsidenten Ali Laridschani am Montag im iranischen Staatsfernsehen. Er kritisierte den mächtigen Wächterrat scharf und meinte, dieser habe sich zu sehr für einen "bestimmten Kandidaten" - gemeint war Ahmadinedschad - engagiert.

Der Wächterrat müsse aber alle Menschen gleich behandeln und jedem sein Recht zugestehen. Auch die Kritik der Demonstranten müsse man respektieren und es unterlassen, diese Menschen, die für ihre Meinung demonstrierten, als Rowdys zu bezeichnen.

Den Zuschauern blieb nicht verborgen, dass Laridschanis Kritik sich nicht allein gegen den Wächterrat und das Innenministerium richtete, sondern vielleicht in erster Linie gegen den Revolutionsführer Chamenei. Eine solche Stellungnahme des Parlamentspräsidenten deutet auf ein weiteres Abbröckeln der Macht des Revolutionsführers und der Regierung Ahmadinedschads.

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