Verteidigungsminister beschönigt Afghanistan: Ein Krieg, der sich Frieden nennt

Verteidigungsminister Jung mag beim Afghanistan-Einsatz nach wie vor nichts von einem Krieg wissen. Obwohl schon wieder einige seiner Jungs "gefallen" sind.

Gute Miene zum "humanitären Einsatz: Jung besucht die Truppen bei Masar-i-Scharif. Bild: reuters

Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) hat es also amtlich gemacht: Zwar mag er nach wie vor nicht von einem "Kriegseinsatz" sprechen. Ihm ist aber immerhin das Wort "gefallen" über die Lippen gekommen. Und da im deutschen Sprachraum dieses bei toten Soldaten immer im Zusammenhang mit Kriegen steht, hat der Verteidigungsminister indirekt zugeben, womit er sich bislang so schwer getan hat: Ja, die Bundesrepublik Deutschland befindet sich im Krieg.

Eine banale Erkenntnis möchte man meinen, angesichts der 1.120 Soldaten, die bei der angeblichen Friedensmission in Afghanistan bisher ums Leben gekommen sind, davon 35 deutsche. Die zivilen Opfer und die der Taliban-Seite sind noch gar nicht mitgerechnet. Beim Afghanistankrieg zum Sturz der Taliban, der 2002 offiziell für beendet erklärt wurde, starben 80. Nun sind am Dienstag drei weitere deutschen Soldaten getötet worden. Zwar nicht unmittelbar bei den Gefechten. Doch die Bundeswehr geht davon aus, dass Aufständische zunächst das Feuer auf die deutschen Soldaten eröffnet hatten. Als sie in ihrem "Fuchs"-Transportpanzer flüchten wollten, rutschte das Bundeswehrfahrzeug von der Fahrbahn ab und überschlug sich. Drei deutsche Soldaten starben dabei. Drei weitere mussten mit schweren Verletzungen ins Lager nach Kundus gebracht werden. Wortwörtlich sagte der Verteidigungsminister: "Die Soldaten sind im Einsatz für den Frieden gefallen."

Bis zu einem gewissen Grad ist Jungs Beschönigungstaktik auch nachvollziehbar. Denn wenn es sich bei den Islamisten zu offensichtlich herumsprechen sollte, dass die Bundeswehr einen Krieg gegen die Taliban führt, könnten es zumindest einige von ihnen in Form von Terroranschlägen verstärkt auch auf auf deutsche Hochhäuser abgesehen haben.

Die Bundesregierung geht aber so weit und spricht von "humanitärem Einsatz", "Stabilisierungseinsatz" und bei den Bundeswehrsoldaten gar von "Entwicklungshelfern". Kein Wunder, dass auch der Wehrbeauftragte des Bundestags, Reinhold Robbe (SPD) warnt. "Jeder, der versucht, da darum herumzureden, suggeriert zumindest gegenüber den Soldaten, dass er etwas verharmlost oder kleinredet." Man müsse die Dinge deutlich auf den Punkt bringen, fordert der Wehrbeauftragte. Und wenn selbst die Soldaten davon sprächen, dass sie sich im Krieg befänden, könne er dem nicht widersprechen.

Es erübrigt sich, zu erwähnen, dass ein einseitig erklärter Krieg bereits ausreicht, um tatsächlich auch im Krieg zu stehen. Die Taliban hat diesen Schritt längst vollzogen.

Vielleicht ist es etwas spitzfindig, darüber zu streiten, ob es sich beim Einsatz der deutschen Soldaten in Afghanistan um eine Mission handelt, vergleichbar etwa mit einem Einsatz der freiwilligen Feuerwehr, wenn sie an einem besonders trockenen Sommertag mal wieder die Straßenbäume gießen muss. Oder ob es sich um einen blutigen Krieg handelt mit stundenlangen Feuergefechten, bei denen die Einsatzkräfte tatsächlich um Leib und Leben fürchten müssen. Obwohl inzwischen mehr als 3.000 Bundeswehrsoldaten stationiert sind, interessiert sich hierzulande ohnehin kaum einer mehr, was am Hindukusch abgeht.

Der Wehrbeauftragte glaubt, dass erst die Schönrederei der Bundesregierung zum allgemeinen Desinteresse in Deutschland beigetragen habe. Die Linkspartei wiederum setzt auf eine weitgehend pazifizierte Gesellschaft hierzulande und hofft bereits, dass sich ein klar benannter deutscher Angriffskrieg tatsächlich politisch skandalieren lässt und sich dies in Wählerstimmen ummünzen lässt.

Wahrscheinlicher ist, dass es inzwischen selbst dem Gutwilligsten schwer fällt, weiter von einer erfolgreichen Bundeswehrmission zu sprechen. Es fehlt schlicht und einfach der Glaube ans Gelingen. Während die Vereinigten Staaten dabei sind, ihre Truppen massiv auf 60.000 Soldaten aufzustocken, weil sie längst sehen, dass mittlerweile im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet der Krieg gegen den islamistischen Terror eskaliert, will der deutsche Verteidigungsminister den Menschen hierzulande immer noch weismachen, dass die deutschen Soldaten dort Brunnen bohren und Brücken bauen. Kaum einer versteht, was der Bundeswehreinsatz überhaupt noch bringt und wie er irgendwann beendet werden könnte.

Übrigens: Eine Steigerung zu Jungs Bagatellisierung ist noch möglich. Im Fall der jüngsten drei getöteten Bundeswehrsoldaten spricht das Nato-Hauptquartier in Brüssel von "Verkehrsunfall".

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.