Zukunft des Gipfeltreffens: Gute Nacht, G 8

Die G 8 erscheint vielen als nicht mehr zeitgemäß. Aber was sind die Alternativen? Ein G 20-Gipfel mit den Schwellenländern - oder gar nur noch G 2-Treffen von USA und China?

Hat die Gruppe der Acht die Zukunft bereits hinter sich? Bild: ap

L'AQUILA taz | Einem liebgewonnenen Ritual folgend werden sich an diesem Mittwoch die Staats- und Regierungschefs der G-8-Staaten zu ihrem 35. Gipfel treffen. Doch längst ist nicht mehr eindeutig, dass dabei die führenden Industrienationen über die Geschicke der Weltwirtschaft und der Weltpolitik beraten. Erstmals hat auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Sinnhaftigkeit von G-8-Gipfeln in Zweifel gezogen. Die führenden Industrieländer könnten die globalen Probleme nicht mehr allein regeln, sagte sie vergangene Woche in ihrer Regierungserklärung. "Ich denke, dass die G 20 das Format sein sollte, das wie ein überwölbendes Dach die Zukunft bestimmt." Die G 8 werde bloß noch "in das Format einer Vorbesprechung hineinwachsen".

Wirtschaft- und Finanzkrise: Das Ziel ist eine neue Regulierung der globalen Finanzmärkte. Doch bedeutende Beschlüsse sind nicht zu erwarten. Deutschland will zudem schon jetzt über eine Rückkehr zur Konsolidierungspolitik nach der Krise diskutieren.

Klimaschutz: Umweltschützer erhoffen sich entscheidendes Signal für die UN-Klimakonferenz Ende Dezember in Kopenhagen, wo ein Kioto-Nachfolgeprotokoll ausgehandelt werden soll. Bundeskanzlerin Merkel schließt sich Forderungen des WWF an, dass die Erderwärmung nicht mehr als 2 Grad gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter betragen darf.

Entwicklungshilfe: Obwohl sich die G-8-Staaten bereits 2005 beim Gipfel in Gleneagles versprochen hatten, die Hilfen für Afrika bis 2010 um 25 Milliarden US-Dollar im Jahr zu erhöhen, haben die Industrieländer bis jetzt nicht einmal ein Drittel dieses Versprechens eingelöst. Schlusslicht Italien hat nicht einmal 3 Prozent seiner Zusagen eingehalten. Wie im Vorfeld durchgesickert ist, hat sich die G 8 immerhin darauf verständigt, 12 Milliarden US-Dollar für die landwirtschaftliche Entwicklung zur Verfügung zu stellen. Wie viel tatsächlich an die ärmsten Ländern fließt, ist allerdings noch nicht klar. FLEE

Der einst so prunkvoll gefeierte Gipfel herabdegradiert auf eine "Vorbesprechung"? Die Globalisierungskritiker freut es, weshalb sie auch kaum noch zu Protesten mobilisieren. Dass das Treffen aber für Merkel keine Relevanz mehr hat, überrascht dann doch. Schließlich war sie es, die sich im vorigen Jahr beim Gipfel in Toyako zusammen mit Gastgeberland Japan am hartnäckigsten dagegen sträubte, den Kreis der G 8 zu erweitern. Die Japaner befürchteten einen Machtverlust, wenn sie mit China und Südkorea an einem Tisch sitzen würden. Und Merkel meinte, man müsse darauf achten, dass die G-8-Gruppe "nicht verwässert" werde.

Nun ist Deutschland umgeschwenkt. Bei näherem Hinsehen kommt diese Kehrtwendung allerdings nicht ganz so überraschend. Denn so pompös und aufwändig die japanischen Gastgeber den Gipfel organisiert hatten - auch im Kanzleramt lässt sich nicht mehr verschweigen, wie mager die Ergebnisse von Toyako ausfielen. Ob Klimaschutz, Ölpreis oder Nahrungsmittelkrise - in Japan zeigte sich, dass die G-8-Staaten ohne Unterstützung der Schwellenländer die Probleme nicht mehr in den Griff bekommen.

Weder konnten sich die Regierungschefs auf konkrete Zahlen bei der Reduktion des CO2-Ausstoßes einigen, noch kamen sie dem Versprechen nach, die Entwicklungsländer bei der Armutsbekämpfung mit einer Milliardenhilfe zu unterstützen. Und von einer drohenden Finanzkrise wollte in Toyako noch keiner der G-8-Staatschefs etwas gewusst haben.

Als "ernüchternd" bezeichnete der Leiter des UN-Umweltprogramms (Unep), Achim Steiner, die Ergebnisse von Toyako beim Klimaschutz. "Verheerend" nannte es Walden Bello von der Nichtregierungsorganisation "Focus on the global South", dass die G-8-Staaten über die Krise hinweggesehen hätten, als würde es sie gar nicht geben.

Mit einjähriger Verspätung steht das Thema Regulierung der Finanzmärkte nun in Italien auf der Agenda. Außerdem soll es, wie schon in Japan, um die Armutsbekämpfung und den Klimawandel gehen. Vollmundig hat "Klimakanzlerin Merkel" erklärt, dass sie ein halbes Jahr vor dem großen UN-Klimagipfel in Kopenhagen ihre Amtskollegen zu einer gemeinsamen Erklärung verpflichten wolle, wonach die Erderwärmung bis zum Jahr 2100 nicht mehr als 2 Grad gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter betragen darf. Sie hofft vor allem auf US-Präsident Barack Obama, der angekündigt hat, eine Vorreiterrolle im Klimaschutz zu übernehmen.

Allerdings sind die Erwartungen gedämpft. "Ich glaube nicht, dass sich alle Mitglieder auf eine gemeinsame Position einigen werden", sagt Milena Elsinger von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Auch in Sachen Finanzmarktregulierung ist nach dem anfänglichen Aktionismus unmittelbar nach Ausbruch der Krise kaum mehr etwas zu spüren. Deutschland und Großbritannien streiten seit Wochen über die Kompetenzen künftiger EU-Aufsichtsbehörden. Und Bekundungen auf dem letzten G-20-Treffen in London wie etwa die Austrocknung der Steueroasen drohen daran zu scheitern, dass auf nationaler Ebene bisher nichts getan wurde. Auch in LAquila werde es bloß "vage Absichtserklärungen geben, bei denen fraglich ist, ob sie jemals in die Praxis umgesetzt werden", glaubt Elsinger.

Der DGAP hält den G-8-Gipfel insgesamt für nicht mehr zeitgemäß und geht in der Kritik noch weiter als Merkel. Es gebe keine Rechtfertigung mehr dafür, dass die westlichen Industrienationen unter sich bleiben wollten, meint Elsinger.

Inwiefern jedoch die G 20 die G 8 ersetzen wird, bleibt ebenfalls fraglich. Zwar sind in dieser Gruppe immerhin zwei Drittel der Weltbevölkerung vertreten, die 90 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts, 80 Prozent des Welthandels bestreiten und zusammen für mehr als 80 Prozent des CO2-Ausstoßes verantwortlich sind. Doch für eine gemeinsame Politik reicht dies noch nicht. Industrie- und Schwellenländer haben vielmehr in vielen Punkten unterschiedliche, wenn nicht gar gegensätzliche Interessen. Waren sich gerade beim Klimaschutz die G-8-Staaten schon untereinander uneins, wird dies in der Gruppe der 20 noch sehr viel schwieriger werden. "Gemütliche Kaminrunden wie in den Siebzigerjahren wird es mit diesen Ländern nicht mehr geben", sagt der G-8-Spezialist der kanadischen Universität Waterloo, Andrew Cooper.

Die Politikwissenschaftlerin Elsinger hat beobachtet, dass die Vormachtstellung der G 8 auch durch Zusammenschlüsse der Schwellenländer infrage gestellt wird, der Bric-Staaten (Brasilien, Russland, Indien und China) etwa, der Schanghai-Gruppe (China, Russland und zentralasiatische Staaten) oder regionalen Bündnissen in Lateinamerika. Und Inge Kaul, frühere Direktorin des UN-Entwicklungsprogramms und inzwischen Professorin an der Hertie-School of Governance, verweist auf die zunehmende Relevanz von bilateralen Gesprächen. Allen voran der "G 2" misst sie in naher Zukunft am meisten Macht bei. Die G 2, das sind die USA und China.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.