Kritik an G8-Gipfelorganisation: Wenig Proteste, viel Unmut
In Rom und L'Aquila hat es nur vereinzelte Proteste von Gipfel-Gegnern und Erdbeben-Opfern gegeben. Italiens Premier Berlusconi wird indes massiv für seine Gipfel-Vorbereitung kritisiert.
ROM taz | Eine Stadt im Belagerungszustand: Tausende Polizisten sind in Rom im Einsatz, um jedwede Protestaktion schon im Keim zu ersticken. Ihnen stehen bisher nur wenige hundert Globalisierungskritiker gegenüber. Obwohl das römische "No-G8-Netz" Störaktionen wie Straßenblockaden für den Tag der Ankunft der "Großen der Welt" angekündigt hatte, blieb es am Mittwoch in Rom völlig ruhig.
Die einzige Ausnahme bildeten vier Franzosen und ein Grieche, die vor der Spanischen Treppe einen Striptease hinlegten. Auf einem Transparent forderten sie, die Erderwärmung zu bekämpfen - dann müsse sich "Berlusconi nicht mehr ausziehen". Auch das war schon zu viel für die Polizei: Die fünf wurden umgehend festgenommen.
Schon das Sit-in, das am Dienstagnachmittag als große Auftaktveranstaltung der Gipfelgegner auf der zentralen Piazza Barberini angesetzt war, machte die Mobilisierungsschwierigkeiten der italienischen Bewegung deutlich: Nicht einmal tausend Protestierer verloren sich auf dem Platz, der auf allen Seiten mit Mannschaftswagen und Hundertschaften hermetisch abgeriegelt war. Am Ende zogen etwa 200 Teilnehmer zum Bahnhof, um dort mit einer Gleisbesetzung gegen die Verhaftung von bisher 57 Gipfelgegnern zu protestieren. Auch hier intervenierte die Polizei sofort.
Auch in LAquila beschränkte sich der Protest auf eine symbolische Aktion: Lokale Komitees der Erdbebenopfer brachten auf einem Hügel unweit des Tagungsortes - einer großen Kaserne - mit zehn Meter hohen Lettern den Schriftzug "Yes we camp" an, um die Staats- und Regierungschefs auf die Not von über 20.000 Menschen hinzuweisen, die noch immer in Zeltstädten untergebracht sind.
Entsprechend entspannt konnte Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi den Gipfel beginnen. Am Mittwochvormittag begleitete er Angela Merkel in das vom Erdbeben völlig zerstörte Dorf Onna; dort hilft Deutschland beim Wiederaufbau. Für die anderen Staats- und Regierungschefs standen zunächst Besuche im Zentrum des stark beschädigten LAquila auf dem Programm.
Trotz dieses ungestörten Gipfelauftakts ist Berlusconi nervös. Er fürchtet während der Gipfeltage weitere Enthüllungen über sein skandalöses Sexleben. Und er muss sich mit heftiger Kritik vor allem angelsächsischer Medien herumschlagen. Der britische Guardian malte gar ein Ausscheiden Italiens aus dem Kreis der G-8-Staaten an die Wand, da das Land den Gipfel inhaltlich und organisatorisch miserabel vorbereitet habe. Die New York Times forderte Barack Obama auf, in LAquila die Regie zu übernehmen: Unter italienischer Führung drohe ein völlig ergebnisloser Gipfel. MICHAEL BRAUN
Leser*innenkommentare
Unzeit-gemäß
Gast
Mich wundert, wie gelassen die meisten Linken diesen Mobilisierungsflop hinnehmen. Es ist doch sehr bemerkenswert, dass ausgerechnet nach einem für alle wahrnehmbaren Crash des deregulierten Finanzmarktes die Bewegung der ´Globalisierungsgegner/-kritiker` nicht spektakulär anwächst, sondern vielmehr jämmerlich verebbt.
Die Sorge vor erneuten Misshandlungen seitens der italienischen Polizei und das aktuelle Formtief der italienischen Linken können dieses Phänomen m. E. n. nur teilweise erklären. Mir scheint: In der Finanz- und Wirtschaftskrise ist sich jeder selbst der Nächste. attac Die Leute denken jetzt beim Stichwort "Globalisierung/Krise" weniger an den Klimawandel und die Bauern in Afrika, sie haben vielmehr Angst um IHREN Job, um IHREN Wirtschaftsstandort. Die Stimmungslage ist weniger "Eine andere Welt ist möglich", sondern vielmehr "Arbeit zuerst für Inländer" und "Schutz der heimischen Produktion". So würde ich jedenfalls die Wahlerfolge der Lega Nord in den einstigen roten Hochburgen interpretieren. Und die Tatsache, dass die Gewerkschaften diesmal eben nicht zu den Anti-G8-Aktivitäten mobilisiert haben.
dsf
Gast
ich finde es unglaublich wie scheinheilig diese "poilitiker" gegen den iran wettern während sie in italien residieren!
dort wird mit demonstranten ja vorbildlich umgegangen!
Lars
Gast
Kleine Ergänzung noch zu vic:
Man sollte auch nicht vergessen, was beim letzten G8-Gipfel in Italien, genauer Genua, passiert ist. Dort wurde Carlo Giuliani durch einen Kopfschuss quasi hingerichtet.
Linke Socke
Gast
Ich sehe das auch nicht zu dramatisch. Eigentlich hatte ich geplant nach Italien zu fahren, aufgrund des NATO-Gipfels und des Bildungsstreiks fehlte mir jedoch einfach die Zeit für eine angemessene Planung.
So mir geht es vermutlich vielen Globalisierungskritikern, die Prioritäten haben sich geändert.
Wie vic es schon richtig geschildert hat, es ist die Widrigkeiten nicht wert.
Sollen die G8 doch ihre Phototermine im Trümmerhaufen machen und sich fragen warum es kaum noch jemanden interessiert.
Linke Socke
Gast
Ich sehe das auch nicht zu dramatisch. Eigentlich hatte ich geplant nach Italien zu fahren, aufgrund des NATO-Gipfels und des Bildungsstreiks fehlte mir jedoch einfach die Zeit für eine angemessene Planung.
So mir geht es vermutlich vielen Globalisierungskritikern, die Prioritäten haben sich geändert.
Wie vic es schon richtig geschildert hat, es ist die Widrigkeiten nicht wert.
Sollen die G8 doch ihre Phototermine im Trümmerhaufen machen und sich fragen warum es kaum noch jemanden interessiert.
vic
Gast
In Sachen geringe Protestbeteiligung bitte ich zu beachten:
Wer so mutig ist in Italien zu demonstrieren, läuft Gefahr umgebracht, übel verprügelt, in Schlafunterkünften überfallen, im Krankenhaus absichtlich gequält, und wegen jeder Kleinigkeit jahrelang inhaftiert zu werden.
Angesichts der gemachten Erfahrungen ist es den Anwesenden hoch anzurechnen, dass sie dort waren. Ansonsten ist das Trümmer-Sightsseing der Regierungschefs erbärmlich.
schreiber
Gast
Nachdem was beim G8 in Italien abgegangen ist ... ob ich da den Mut gehabt hätte auf die Straße zu gehen?
hmmm ...
Ludwig
Gast
Schlechte Vorbereitung?
Nanu, was war denn da los?
Zu wenig Kaviar? zu wenig Nutten? Nicht genug Luxus? Und das Ganze dann vielleicht auch noch schlecht vom Volkspöbel abgeschottet?
Na, da hätten die Italiener sich mal ein Beispiel an Deutschland nehmen sollen! Hier weiß man, wie man die Politiker-Elite richtig verwöhnt, scheißegal wie viel es kostet!