: Die Tierschützer vom Amt
Vogelgrippe, Fleischskandal – immer mitten drin sind die verbeamteten Veterinäre. Sie kontrollieren Schlachthöfe und Ställe, lassen sich von uneinsichtigen Tierhaltern beschimpfen und müssen im Seuchenfall gesunde Tiere töten. Ein Amtstierarzt erzählt, warum er den Job trotzdem gerne macht
taz: Hatten Sie nie vor, eine Kleintierpraxis zu gründen und kleinen Häschen zu helfen?
Norbert Heising, Amtsveterinär: Nein, ich war einer der wenigen, der schon während des Studiums gesagt hat, dass ich in den amtstierärztlichen Dienst gehen werde.
Warum? Weil das Gehalt sicher ist?
Mir macht das Spaß!
Aber Sie haben doch lauter unangenehme Aufgaben: Sie schlagen sich mit Tierquälern herum und müssen im Seuchenfall massenhaft Tiere töten.
Man muss sich einfach vorher klar machen, was man für Aufgaben hat. Und die meisten Tierhalter und Landwirte sind ganz vernünftig und wir kommen ja auch nicht auf den Hof und sind bullerballerig. Aber man muss schon konfliktbereit sein und sich ein dickes Fell zulegen.
Warum?
Es ist ein großer Unterschied, ob man als praktizierender Tierarzt auf die Höfe kommt. Da war man ein gern gesehener Gast, weil man hilft, dass es der Kuh wieder besser geht. Wenn ich aber zu Kontrollbesuchen komme, ist das natürlich etwas anderes. Man muss sich schon damit anfreunden, das man nicht Everybody’s Darling sein kann in diesem Beruf. Das kann Ihnen schon passieren, dass Sie Polizeischutz brauchen, wenn Sie einen Bestand auflösen wollen. Es gibt auch die eine oder andere Dienstaufsichtsbeschwerde oder selbst eine Strafanzeige.
Trauen Sie sich denn überhaupt noch vor die Tür?
Ja, aber sicher, das sind ja nur Einzelfälle, um die wir uns aber eben besonders kümmern müssen. Als ich neulich einen Spaziergang gemacht habe mit unserem Hund, war in der Nähe eine Versammlung von Bauern. Als die an einem vorbeifuhren, grüßten sie, einige stiegen aus, um sich mit einem zu unterhalten. Außerdem muss man wissen, dass viele Leute ihre Tiere gar nicht absichtlich misshandeln.
Wie meinen Sie das?
Wir haben oft mit Tierhaltern zu tun, die selbst nicht mehr Herr der Lage waren, wo man denkt, ein normaler Mensch hält die Tiere nicht so. Die sind manchmal überfordert mit allem. So ein Landwirt muss ja heutzutage nicht nur was von Tieren verstehen, sondern auch Management-Fähigkeiten haben, um finanziell über die Runden zu kommen. Wenn dann noch psychische Probleme dazu kommen, wächst das schnell jemand über den Kopf. Dann gibt es auch tote Tiere auf dem Hof, ohne dass er es gemerkt hat.
Und wie macht man denen dann klar, dass man den Betrieb auflösen muss? Das ist ja oft deren Ein und Alles?
Die Auflösung ist erst das letzte Mittel, aber in ganz dramatischen Fällen geht es nicht anders. Dieser Rinderhalter, an den ich denke, der war selbst krank und kam dann auch ins Krankenhaus. Ich habe ihn dort besucht und mit ihm geredet. Er hat dann selbst gesehen, dass es die beste Lösung war. Er war im übrigen heilfroh, dass nichts davon in der Zeitung gestanden hat.
Warum?
Gerade auf dem Land ist das schon ein Problem, wenn Fotos aus den Ställen zu sehen sind oder gar das Fernsehen da ist. Die Leute haben Angst, dass sie öffentlich gebrandmarkt werden. Wenn sie ohnehin schon angeschlagen sind, kann es sein, dass Suizid-Gedanken aufkommen.
Eine andere Aufgabe eines Amtstierarztes, die ich mir eher unangenehm vorstelle, ist sein Einsatz in Seuchenfällen, wenn Tiere massenhaft getötet werden müssen.
Klar, das macht keinem Amtstierarzt Spaß. Es ist schon eine Hemmung, die Sie überwinden müssen. Aber wenn es darum geht, eine Tierseuche zu bekämpfen – und die wird es immer geben, ob Vogelgrippe, Schweinepest oder Maul- und Klauenseuche – dann müssen Sie prophylaktisch Tiere töten, um andere Bestände zu schützen, auch wenn man sich damit schwer tut.
Haben Sie selbst so etwas schon einmal erlebt?
Ja, ich habe schon mal an einer Tötung von Schweinebeständen teilnehmen müssen.
Auch selbst Hand angelegt oder nur überwacht?
Ich habe auch selbst Schweine getötet. Ich finde es wichtig, das auch einmal selbst gemacht zu haben, wenn man im Ernstfall andere beaufsichtigen soll. Und auch als praktizierender Tierarzt muss man ja immer wieder mal ein Tier einschläfern.
Das sind dann aber ein paar weniger, oder?
Stimmt. Das waren hunderte, die Sie an einem Tag töten.
Wie macht man das?
Bei Schweinen per Elektrotötung. In der Regel mit Zangen. Erst werden die Tiere mit einem Stromdurchfluss im Gehirn betäubt. Anschließend erfolgt die Herzdurchströmung. Sie sterben dann an Herzstillstand.
Haben Sie danach schlecht geschlafen?
Nein, ich habe nicht davon geträumt, aber man muss schon abschalten können. Wenn Sie das tierschutzgerecht durchgeführt haben und das vernünftig und ohne Hektik machen, sich Zeit lassen, dann bekommen die Tiere nichts davon mit. Bei Schweinen hören Sie nicht einen Ton von dem Tier und die anderen stehen drum herum und wühlen im Boden.
Und Sie können den Beruf wirklich empfehlen?
Das ist doch nur ein kleiner Teil der Arbeit. Viel ist ja auch Schreibtisch und Verwaltung. Und dann haben Sie ja auch die Möglichkeit, etwas zu bewegen.
Wie denn?
Wenn Sie eingreifen und es dem Tier hinterher besser geht als vorher. Wir hatten da so ein altes Pferd mit Rehe, einer Entzündung des Hufs. Dem waren die Hufe so hoch gewachsen, die standen 20 Zentimeter über dem Boden. Wenn man das dann nachher gesehen hat, wie es sich wieder erholt hat, dann ist das schon eine befriedigende Sache.
Okay. Und was steht heute noch bei Ihnen an?
Ich gehe zu einer Sittich-Prüfung. Wenn Sie Krummschnäbel halten oder züchten wollen, dann müssen Sie nachweisen, dass sie mit einer auch für Menschen ansteckenden Krankheit, der Psittakose, umgehen können. Außerdem kann ich mir die Tiere gleich mal anschauen. Ausnahmsweise mal angemeldet.
Interview: Eiken Bruhn