Grippe-Welle nach den Ferien: Krank oder schweinekrank?

Bald werden die ersten Schüler das Schweinegrippe-Virus aus den Ferien mitbringen. Die Schulen und Lehrer sind gerüstet - auch gegen Panikmache.

Der Plan steht: Stecken sich zu viele Kinder in der Schule an, wird sie geschlossen - wie im Juni die Japanische Internationale Schule in Düsseldorf. Bild: ap

In Thüringen wissen die Behörden noch, was sich gehört. Dort heißt die Devise: Wenn man das Schweinegrippe-Virus schon nicht mehr aufhalten kann, soll es mit großem Bahnhof empfangen werden, zumindest in den Schulen. "Wir bereiten im Moment eine geordnete Information vor", sagt Detlef Baer, Sprecher des Kultusministeriums in Erfurt.

Dass die Zahl an H1N1-Infektionen in den kommenden Wochen sprunghaft ansteigen wird, gilt unter Gesundheitsexperten inzwischen als sicher, weil viele Urlauber das Virus mit nach Hause bringen werden.

Deshalb werden die Thüringer Lehrer in diesen Tagen detailliert darauf vorbereitet, was zu tun ist, wenn ein Schüler von seinen schönsten Ferienerlebnissen in Spanien berichtet und dabei auffällig oft husten muss.

Im Gegensatz zum Virus, das sich trotz aller Vorsichtsmaßnahmen der Weltgesundheitsorganisation WHO unkontrolliert verbreitet hat, ist die Verbreitung des Wissens über die entsprechenden Schutzmaßnahmen in Thüringen genau organisiert: Das Kultusministerium informiert die Schulamtsleiter, die Schulamtsleiter unterrichten die Schulleiter, die Schulleiter berichten ihren Lehrern.

Wenn am kommenden Donnerstag die Schüler zum ersten Mal nach den großen Ferien ihre Klassenzimmer betreten, können sie sich deshalb darauf verlassen, dass die Lehrer nicht nur ihre Lehrpläne im Kopf haben, sondern auch einen Pandemieplan. Den sie sehr wahrscheinlich nicht brauchen werden.

Denn trotz aller Hysterie, die in den vergangenen Monaten erst entstanden, dann wieder abgeflaut und jetzt neu entfacht worden ist, kann man ruhig festhalten: Deutschland wird auch die Schweinegrippe überleben. Die Zahl der an der "Neuen Grippe" Erkrankten, wie das Robert-Koch-Institut die Krankheit nennt, ist zwar in den vergangenen Tagen etwa um das Siebenfache gestiegen, die meisten davon sind Reiserückkehrer. Betroffen sind nach Erkenntnissen der WHO vor allem Jugendliche zwischen 12 und 17, von einem schweren, womöglich sogar tödlichen Krankheitsverlauf aber vor allem ältere Menschen.

Das ist wohl der Grund, warum Petra Kodré so gelassen mit der Schweinegrippe umgeht wie mit ihrem eigenen Schnupfen, den sie im Moment mit sich herumschleppt. Die Sprecherin der Bremer Gesundheitssenatorin sagt: "Wir haben keine besonderen Maßnahmen ergriffen, es ist ja dieselbe Situation wie bei einer normalen Grippewelle."

Aber auch in Bremen sollen die Lehrer nicht ratlos vor ihren Klassen stehen. Deshalb arbeitet das Referat für Gesundheit im Moment an einem Informationsblatt, das rechtzeitig vor dem Schulbeginn am Donnerstag an alle Schulen und Kitas gehen soll.

Es wird sich eng anlehnen an die Broschüre des Robert-Koch-Instituts - illustriert mit einem jungen Pärchen, das aussieht, als sei es direkt aus einem 90er-Jahre-Hip-Hop-Video auf das Deckblatt der Broschüre gesprungen: "Selbstverteidigung gegen Grippe - Neue Techniken, sich und andere zu schützen", heißt die Schlagzeile.

Darin wird beschrieben, wie man sich die Hände richtig wäscht, wie man hygienisch hustet und was bei einer ausbrechenden Pandemie zu tun ist: zwei Meter Abstand zu den Mitmenschen, aufs Händeschütteln verzichten, über Atemschutzmasken Bescheid wissen. Über deren Wirksamkeit, so heißt es in dem Faltblatt, "liegen keine ausreichenden Erkenntnisse vor". Sie seien deshalb nur ergänzend zu den dargestellten Maßnahmen zu erwägen.

Kathrain Graubaum aus dem Kultusministerium von Sachsen-Anhalt konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, als sie vor kurzem von Journalisten gefragt wurde, ob zum Schulbeginn nun sämtliche Lehrer ihres Bundeslandes mit Atemschutzmasken ausgestattet werden. Nein, war ihre Antwort, werden sie nicht. "Das wäre wohl auch etwas übertrieben."

Es ist ein schmaler Grat, auf dem sich diejenigen im Moment bewegen, die in der kommenden Woche ihre Schulen öffnen. Einerseits will niemand unnötig Panik verbreiten, andererseits möchte sich aber auch niemand vorhalten lassen, die Eltern und Schüler nicht ausreichend informiert zu haben. In Magdeburg stehen deshalb die zuständigen Stellen in den einzelnen Behörden und Ministerien miteinander in Kontakt, jeder Schulleiter weiß, an wen er sich wenden muss, wenn er eine Frage hat.

Das Netzwerk steht

Dasselbe gilt für Sachsen und Niedersachsen. Auch von dort heißt es: Wir begegnen der diffusen Angst mit medizinisch gesicherten Informationen und verlassen uns auf die Eigenverantwortung der Lehrer, mit dieser Situation angemessen umzugehen. Irina Schenk vom Kultusministerium Sachsen: "Wir haben schon vor den Ferien Informationsblätter an die Schulen gegeben." Worauf deshalb kein Schüler zu hoffen braucht, ist, dass sich an die Sommerferien ein paar Tage Grippefrei anschließen werden. Daran, die Schulen geschlossen zu halten, um dem Virus keine Chance auf klassenweite Verbreitung zu geben, denkt keines der fünf Bundesländer.

Das wäre nur denkbar in dem unwahrscheinlichen Fall, dass sich das Virus nach dem Sommerurlaub so schnell ausbreitet, dass die Behörden eingreifen müssen und dafür ihre Klassenzimmer brauchen. So wie in Norwegen: Dort haben sich 55 Jugendliche das Virus in einem Feriencamp eingefangen. Sie stehen seitdem unter Quarantäne - in einer Schule.

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