Streit der Woche: "Verdrängung statt Lösung"

Sind Saufverbote in der Öffentlichkeit sinnvoll? Ja, sagen eine Bundesbehörde und Freiburgs Grünen-Oberbürgermeister. PolitikerInnen von SPD und Linke halten dagegen.

Seit Ende Juli darf in der Freiburger Innenstadt wieder fröhlich gesoffen werden. Bild: dpa

BERLIN taz | Die Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung (BZgA) hält Saufverbote in der Öffenlichkeit für eine wirksame Maßnahme gegen Alkoholsucht. "Alkoholverbote für den öffentlichen Raum können ein positives Signal setzen", schreibt der BZgA-Referatsleiter Peter Lang im "Streit der Woche" der sonntaz. Für ein Umdenken sei Prävention gefordert, aber auch öffentliche Alkoholverbote dürften kein Tabu sein. Freiburgs Oberbürgermeister Oberbürgermeister Dieter Salomon (Grüne) fordert Bund und Länder sogar auf, an Gesetzen zu arbeiten, die Alkoholverbote auf öffentlichen Plätzen ermöglichen.

Ein Verbot, das Freiburg 2007 für das so genannte "Bermudadreieck" in der Innenstadt ausgesprochen hatte, war vom baden-württembergischen Verwaltungsgerichtshof Ende Juli gekippt worden. Auch in anderen Städten werden derartige Einschränkungen des Alkoholtrinkens auf öffentlichen Plätzen und Straßen, aber auch im Nahverkehr diskutiert. „Nach eineinhalb Jahren sind alkoholbedingte Pöbeleien und Schlägereien um 16 Prozent zurückgegangen“, schreibt Salomon. Komasaufen sei ein zweifelhaftes Vergnügen.

BZgA-Referatsleiter Lang schreibt, Verbote zeigten, „dass Alkoholkonsum nicht automatisch zum Straßebild gehört.“ Hinter einem gesetzlichen Verbot stecke die Frage, welche Trinkkultur man zeigen wolle. Trinken in der Öffentlichkeit habe sich in den vergangenen Jahren stark ausgebreitet, auch extremer Alkoholkonsum bei Jugendlichen habe zugenommen.Die BZgA ist eine Bundesbehörde, die dem Bundesgesundheitsministerium untersteht.

Indes schreibt die SPD-Politikerin Carola Reimann, die dem Wahlkampfteam von Kanzlerkandidat Steinmeier angehört, Platzverbote würden das Problem nicht lösen, sondern nur an andere Orten verlagern. Solche Verbote wirkten außerdem „auf Jugendliche wenig plausibel, wenn auf denselben Plätzen Volksfeste und Veranstaltungen mit Alkoholausschank genehmigt werden“, schreibt die Bundestagsabgeordnete. Wenn Saufen zur Hauptfreizeitbeschäftigung von Jugendlichen werde, fehlten offenbar andere Angebote.

Berlins Gesunheitssenatorin Katrin Lompscher (Linke) erkärte, Alkoholverbote in der Öffentlichkeit „politisch zu propagieren und zu forcieren“ sei kein geeignetes Mittel, Kinder und Jugendlichen vom Alkohol fernzuhalten, die trotz klarer Regelungen für den Verkauf viel zu leicht an Alkohol herankämen. „Damit wird das Problem verdrängt, aber nicht gelöst“, schreibt die Senatorin in der sonntaz. Die Jugendschutzbestimmungen müssten konsequent beachtet werden.

Im „Streit der Woche“ der sonntaz äußern sich neben Reimann, Lompscher, Salomon und Lang taz.de-Leser Andreas Hasenkopf und der polnische Philosoph Adam Chmielewski, der auf ein in seinem Land seit 1982 bestehendes Trinkverbot in der Öffentlichkeit verweist.

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