Kommentar Afghanistan-Wahl: Kein Weg zur Demokratie

Was nützt eine Wahl, wenn sie alles andere als "frei und fair" ist. In Afghanistan hätte man zuerst funktionierende staatliche Institutionen schaffen sollen und dann zur Wahl gerufen.

Vermutlich hat inzwischen auch der letzte Idealist begriffen, dass die Wahlen in Afghanistan recht wenig mit dem zu tun haben, was in der westlichen Welt unter Demokratie verstanden wird. Sie sind weder "frei und fair", wie es früher hieß, noch "glaubwürdig, sicher und inklusiv", wie die neueste Formel aus Washington lautet.

Ein Großteil der Wählerinnen und Wähler wird durch die schlechte Sicherheitslage daran gehindert, sein Wahlrecht wahrzunehmen, viele Frauen wurden nur zum Schein registriert, und angesichts der zu erwartenden Manipulation wird auch das Ergebnis kaum zur Legitimität der Regierung beitragen.

Falls die international operierenden radikalen Islamisten noch eines Beweises bedurft hätten für ihre These, dass Demokratie nur ein Mittel ist, die Interessen des Westens weltweit durchzusetzen: Voilà, hier ist er! Eine Lektion muss der Westen daraus lernen: Es ist dringend notwendig, die Rolle von Wahlen beim Aufbau von Krisenländern neu zu definieren.

Dazu müsste man eigentlich nur ein paar Klassiker der Politikwissenschaft noch einmal lesen, Hobbes beispielsweise oder Hegel. Als inhaltsleeres Prozedere, das nur zum Schein Legitimität produziert, sind Wahlen nicht nur ein Fehlschlag, sondern kontraproduktiv. Demokratie ohne Sicherheit und ohne Rechtsstaat funktioniert nun einmal nicht.

Statt Wahlen zu veranstalten, hätte man in Afghanistan von Anfang an alle Bemühungen auf den Aufbau staatlicher Institutionen konzentrieren müssen, allen voran Armee, Justiz und Verwaltung, und das Land von einer klar definierten Übergangsregierung lenken lassen sollen.

Diese hätte möglicherweise durch eine Stammesversammlung (Loja Dschirga) legitimiert werden können. Dann hätte man schrittweise Strukturen in den Distrikten und Provinzen aufbauen müssen, in denen Demokratie eingeübt wird und die klar diesem Ziel dienen. Wahlen würden dann nämlich nicht am Anfang, sondern am Ende des demokratischen Prozesses stehen.

Dazu ist es in Afghanistan zu spät. Aber der Westen wird nicht umhinkommen, in den nächsten Jahren weitaus mehr Geld und Mühe in die afghanischen Institutionen zu investieren - wenn er es denn überhaupt noch ernst meint mit seinem Engagement.

Fest steht aber, dass sich zurückzuziehen und einen Scherbenhaufen zu hinterlassen schlicht und ergreifend unverantwortlich wäre.

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