Anschläge in Afghanistan: Taliban jagen Wählern Angst ein

Bei den Präsidentschaftswahlen am Donnerstag werden vermutlich rund 600 Wahllokale nicht geöffnet werden können. Sie liegen in Taliban-Gebieten.

Ein seltener idyllischer Moment in den Tagen vor der Wahl. Bild: rtr

KABUL taz | Noch nicht einmal Karzai ist sicher. Das ist die Botschaft, die die Taliban am Morgen in Form einer Rakete in den Garten des Präsidentenpalastes in Kabul schossen. Wenig später sprengte sich ein Selbstmordattentäter mit seinem Auto im Osten der afghanischen Hauptstadt in die Luft. Acht Menschen kamen dabei ums Leben, darunter zwei afghanische UNO-Mitarbeiter, 90 weitere wurden verletzt. Auch die Deutschen in Kundus gerieten erneut in heftige Gefechte. In dem von Taliban besetzten Distrikt Char Dara wurde eine Einheit der Bundeswehr gestern Morgen gleich zwei Mal angegriffen, ohne dass Soldaten zu Schaden kamen.

Je näher die Präsidentschaftswahlen in Afghanistan rücken, umso mehr machen die radikali-islamischen Milizen ihre Drohung wahr: Wenn sie die Wahlen am Donnerstag auch nicht verhindern können, so wollen sie wenigstens so vielen Wählern wie möglich Angst einjagen - und sie dadurch vom Urnengang abhalten.

"Unsere größte Sorge ist, ob die afghanischen Sicherheitskräfte dazu in der Lage sein werden, die 7.000 Wahllokale im ganzen Land ausreichend zu schützen", sagt Zekria Barakzai, der stellvertretende Chef der "Unabhängigen Wahlkommission" (IEC). Von den ursprünglich geplanten zehn Polizisten pro Wahllokal sind inzwischen aus Personalmangel nur noch drei übrig geblieben - und selbst diese Zahl ist ungewiss, denn angesichts der Bedrohung könnte es sich so mancher Ordnungshüter in letzter Minute anders überlegen.

Barakzai ging bisher davon aus, dass nur in zehn von 364 Distrikten die Wahlen nicht stattfinden können, weil diese unter direkter Kontrolle der Taliban stehen. Doch inzwischen gibt die IEC zu, dass vermutlich rund 600 Wahllokale - fast zehn Prozent - nicht geöffnet werden können.

Eine der betroffenen Provinzen ist Wardak, nur eine Stunde südlich von Kabul. "Wenn ich zur Wahl gehen würde, wäre ich am nächsten Tag tot", sagt Massud Mayar, Spross einer ehemals einflussreichen Großgrundbesitzerfamilie aus Wardak. Mayar traut sich schon seit langem nicht mehr nach Hause. Nach Einschätzung der "Afghan Independent Human Rights Commission" wird im Süden des Landes die Wahlbeteiligung bei nicht mehr als 30 Prozent liegen. Und auch im Norden könnte die Zahl weitaus geringer ausfallen als erhofft. Denn bisher wurde nicht offiziell zugegeben, dass ein Distrikt wie Char Dara unter Kontrolle der Taliban ist.

Auch die in- und ausländischen Wahlbeobachter können unter diesen Bedingungen nur sehr begrenzt ihrer Aufgabe nachkommen. Die "Free and Fair Election Foundation for Afghanistan" (FEFA) verfügt nach eigenen Angaben über 8.000 lokale Beobachter. Die EU schickt mit rund 100 Beobachtern das größte ausländische Kontingent. Aber die umkämpften Gebiete sind für sie "no-go"-Areas. "Alles wird sich auf die Provinzen konzentrieren, die sicher sind", sagt eine Mitarbeiterin des UN-Entwicklungsprogramms (UNDP), die ihren Namen nicht genannt wissen will.

Wie unter diesen Bedingungen verhindert werden soll, dass es zu massiven Manipulationen kommt, ist fraglich. In den vergangenen Monaten hatten zahlreiche Kandidaten und unabhängige Beobachter kritisiert, dass es millionenfach zu Mehrfachregistrierungen von Wählern gekommen ist. Mit jeder Bombe kommen die Taliban somit ihrem Ziel ein Stück näher, den Wahlen ihre Legitimität zu rauben.

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