Kohlekraftwerk in Datteln: Klimakiller vor dem Aus

Das Oberverwaltungsgericht Münster erzwingt den Baustopp für das geplante Kohlekraftwerk in Datteln. Eon droht jetzt eine milliardenteure Investitionsruine.

Steht wahrscheinlich bald ganz still: Die Baustelle in Datteln. Bild: dpa

Es ist eine herbe Niederlage für den Stromriesen Eon: Deutschlands Energieversorger Nummer eins musste den Bau seines neuen Steinkohlekraftwerks im westfälischen Datteln am Donnerstag zumindest teilweise stoppen. Die Arbeiten am Ammoniak-Lager, am Kohle- und Asche-Lager sowie am Hilfsdampferzeuger von Europas größtem Monoblocksteinkohlekraftwerk stehen still, nachdem die Bezirksregierung Münster als zuständige Kontrollbehörde am Mittwochnachmittag widerwillig einen Baustopp verhängt hatte. Das über 1,2 Milliarden Euro teure Eon-Kraftwerk am Dortmund-Ems-Kanal, dessen Rohbau bereits weitgehend steht und das 2011 ans Netz gehen sollte, könnte sich nun in eine gigantische Investitionsruine verwandeln.

Grundlage des Baustopps ist ein wegweisendes Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Münster vom 3. September, dessen schriftliche Begründung seit dem späten Mittwochnachmittag vorliegt. Als erstes deutsches Gericht verknüpft der 10. Senat des Gerichts darin die Erteilung einer Baugenehmigung für ein Kohlekraftwerk mit Fragen des Klimaschutzes. Das Kraftwerk verstoße gegen den Landesentwicklungsplan der CDU/FDP-Landesregierung Nordrhein-Westfalens. Darin heißt es schließlich: "Auch mit Blick auf die volkswirtschaftlichen Kosten können Kraftwerksplanungen nur realisiert werden, wenn damit in der CO2-Bilanz und bei anderen klimarelevanten Stoffen ein Fortschritt erreicht wird."

Klimaschutz durch die "Reduktion von Treibhausgasen" aber spiele bei dem Eon-Kraftwerk in Datteln, das eine Leistung von 1.050 Megawatt haben soll, überhaupt keine Rolle, befand das OVG. Das Projekt stelle keine "Kraftwerkserweiterung oder ein Ersatzkraftwerk für das bereits bestehende Kraftwerk mit 300 Megawatt" dar, vielmehr ermögliche der Energiekonzern "eine Erhöhung der Energieproduktion um mehr als 350 Prozent" und schaffe "damit eine neue Kraftwerksdimension". Immerhin werde das Kraftwerk nach Fertigstellung allein für 0,73 Prozent des gesamten deutschen Kohlendioxidausstoßes verantwortlich sein. Der Bebauungsplan der Stadt Datteln für das Projekt sei deshalb hinfällig.

Ein "Schwarzbau" und eine "Dreckschleuder" sei der Steinkohleblock im nördlichen Ruhrgebiet, ärgert sich Dirk Jansen vom Landesverband des Bunds für Umwelt und Naturschutz (BUND), der bereits seit 2005 gegen Eon klagt. Vor Gericht zog auch ein Ehepaar, dessen Bauernhof in Sichtweite der Kraftwerksbaustelle auf dem Gelände der Nachbarstadt Waltrop liegt. "Für Eon ist jetzt erst mal Schluss", freute sich Bauer Heinrich Greiwing bereits direkt nach der mündlichen Urteilsverkündung Anfang September.

"Das Urteil ist ein planungsrechtliches Fiasko für die Stadt Datteln, aber auch für die Landesregierung", sagt auch der Anwalt der Greiwings, Philipp Heinz. "Ich habe selten ein Urteil gesehen, das so viele Planungsfehler auflistet, schon gar nicht bei solch einen Milliardenprojekt", sagte der Jurist der taz. Schließlich habe die Stadt Datteln das "Gefährdungspotenzial des Kraftwerks und den Schutz der Bevölkerung" nicht ausreichend berücksichtigt, hatten die Münsteraner Richter über den nicht beachteten Klimaschutz hinaus gerügt. Auch die Lage des Neubaus - nur 500 Meter vom nächsten Wohngebiet entfernt -verstoße gegen die Landesplanung. Außerdem sei unklar, ob "die Auswirkungen des circa 180 Meter hohen - auch die Abgase ableitenden - Kühlturms ausreichend ermittelt und abgewogen" worden seien.

Eon will die juristischen Konsequenzen trotzdem zurzeit nicht kommentieren. "Urteil und Baustoppverfügung liegen uns vor und werden von unseren Juristen derzeit ausgewertet", sagte ein Sprecher der taz. "Und das ist nicht einfach." Den Kraftwerksbau treibt der Konzern aber weiter voran: Nach Informationen der taz bemühen sich rund 1.500 von ursprünglich über 2.000 Bauarbeitern weiter um die Fertigstellung von Dampfkessel- und Abgasreinigungsanlagen wie um den Gleisanschluss.

Landesumweltminister Eckhard Uhlenberg (CDU) müsse bei der Bezirksregierung Münster auf einen sofortigen Baustopp drängen, fordert deshalb der Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Rainer Baake. Doch die kohlefreundliche Landesregierung spielt auf Zeit, will die Urteilsbegründung der Münsteraner Richter erst einmal "intensiv auswerten". Erst dann könne "entschieden werden, ob eine behördliche Stilllegung der Bauarbeiten insgesamt erfolgen muss", so Landesumweltminister Uhlenberg in einer ersten Stellungnahme.

Doch für Uhlenbergs Chef, Ministerpräsident Jürgen Rüttgers, wäre ein Baustopp eine Niederlage: Schließlich setzt seine Parteifreundin und Wirtschaftsministerin Christa Thoben ganz auf den Neubau weiterer Steinkohlekraftwerke - drei weitere Neubauten sind im Land geplant.

"Die Landesregierung sollte nicht versuchen, diese Klimakiller zusammen mit der SPD gegen Recht und Gesetz durchzudrücken", warnt die stellvertretende Vorsitzende der grünen Bundestagsfraktion, Nordrhein-Westfalens ehemalige Umweltministerin Bärbel Höhn, bereits mit Blick auf den Landtagswahlkampf im kommenden Jahr.

Wenig Vertrauen in Landesumweltminister Uhlenberg hat auch der BUND: Die Umweltschützer klagen vor dem OVG weiter gegen Eon - und hoffen auf einen gerichtlich angeordneten vollständigen Baustopp schon Mitte nächster Woche.

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