Übergriff bei "Freiheit statt Angst"-Demo: Polizeichef spricht von "Vorverurteilung"

Berlins Polizeipräsident lehnt während der Ermittlungen eine Distanzierung von den Prügel-Beamten ab. Nun soll die individuelle Kennzeichnung für Polizisten kommen.

Nach dieser Prügel-Attacke gerät der Polizeipräsident im Abgeordnetenhaus unter Druck Bild: ddp

Die geplante Einführung der Kennzeichungspflicht aller Polizisten rückt näher. Auch der Datenschutzbeauftragte habe keine Einwände, verkündete Polizeipräsident Dieter Glietsch am Montag im Innenauschuss des Abgeordnetenhauses. "Noch in dieser Woche werde ich das förmliche Beteiligungsverfahren einleiten." Damit erhält nun der Gesamtpersonalrat Gelegenheit zur Stellungnahme.

Ab 2010, so Glietschs Plan, sollen alle Polizisten - auch die geschlossenen Einheiten - mit Einführung der neuen Uniformen wahlweise ein Namens- oder Nummernschild an ihrem Einsatzanzug tragen. Der Sprecher der Gewerkschaft der Polizei, Klaus Eisenreich, kündigte neuerlich "auf ganzer Linie" Widerstand gegen das Vorhaben an. "Nicht nur wir, auch die Personalräte sind dagegen."

Dabei ging es im Innenausschuss eigentlich um den Polizeiübergriff auf einen 37-jährigen Radfahrer. Der Mann, wegen seines blauen T-Shirts im Internet kurz "Mann in blau" genannt, war Samstag vor einer Woche auf einer Demonstration gegen Datenspeicherung von Beamten brutal zusammengeschlagen worden. Ein Mitarbeiter des Chaos Computer Clubs hatte die Szene gefilmt und ins Netz gestellt. Nicht nur die Abgeordneten der Opposition von FDP und Grünen, auch die der mitregierenden Linkspartei gingen wegen des Vorfalls mit Glietsch ins Gericht. Als Behördenleiter müsse er den Vorfall politisch verurteilen und sich von dem Verhalten der Beamten distanzieren, so die Forderung.

Glietsch lehnte das ab. Seine Behörde habe das Erforderliche getan, sagte er. Gegen zwei der Beamten sei sofort ein Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung im Amt eingeleitet worden. Bis zur Klärung der Vorwürfe seien die Beschuldigten in den Innendienst versetzt worden seien. Alles weitere käme einer "Vorverurteilung" gleich.

Die Bilder im Netz seien eindeutig, zeigte sich die innenpolitische Sprecherin der Linkspartei Marion Seelig empört: "Der Mann entfernt sich, wird zurückgezerrt und misshandelt, ohne sich zu wehren." Ob es Hinweise gebe, dass der Beamte bei den Schlägen zudem verbotene Quarzsandhandschuhe getragen habe, wollte Seelig wissen. Wo die Notizen geblieben seien, die sich das Opfer vor dem Polizeiübergriff gemacht habe, erkundigte sich der Grüne Dirk Behrendt. Ob die Beamten den Mann gezielt attackiert hätten, um sich der Aufzeichnungen zu bemächtigen? Wenn Polizisten schon am helllichten Tag vor hunderten von Augenzeugen und Kameras so agierten, so Behrendt, "was passiert eigentlich, wenn nicht so viele zugucken, es dunkel ist und die Leute schon abgeführt sind"?

Der FDP Abgeordnete Björn Jotzo warf der Polizeibehörde vor, eine parteiliche Pressepolitik zu Gunsten der beteiligten Beamten betrieben zu haben. Glietsch hätte längst klar stellen müssen, "so ein Verhalten ist für die Berliner Polizei inakzeptabel", sagte Jotzo.

Am Ende der Sitzung rang sich der Polizeichef zu dem Satz durch: "Einen gezielten, grundlosen Schlag ins Gesicht eines Menschen möchte ich von meinen Mitarbeitern nicht sehen" - um hinterher zu schieben: "Aber, ob das so ein Schlag war, ist im Ermittlungsverfahren zu klären."

Der Sprecher des Chaos-Computer Clubs, Andy Müller-Maghun, befand nach dem Ausschuss: "Der Polizeipräsident hat die Chance vertan, für den guten Ruf seiner Behörde einzutreten".

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