CONTRA: Bezirkliche Hausbesuche: Arztbesuch statt Hausbesuch

Jedes Neugeborene soll künftig einen Begrüßungsbesuch vom Staat bekommen. Dagegen sind Volkszähler und GEZ-Eintreiber ja nachgerade sympathisch.

Jedes Neugeborene - und damit seine Eltern - soll künftig einen Begrüßungsbesuch vom Staat bekommen. Na schönen Dank. Dagegen sind Volkszähler und GEZ-Eintreiber ja nachgerade sympathisch. Die kucken wenigstens nicht ins Kinderbett.

Was die Bezirkskontrolleure hinter Wohnungstüren sollen, ist fraglich: Wer gerade dabei ist, sein Baby auszuhungern, macht eben einfach nicht auf. Was dann? Darüber rätseln die Wohltäter aus der Bezirksversammlung Mitte auch noch.

Dabei gibt es längst ein System, das Verwahrlosung und Misshandlungen viel sicherer auffliegen lässt, als ein einmaliger Hausbesuch das täte: Die Untersuchungen U 1 bis U 9, die, anfangs sehr engmaschig, der Kinderarzt kompetent durchführt. In Schleswig-Holstein sind sie schon verbindlich: Wer schwänzt, bekommt es mit dem Jugendamt zu tun. Hamburg hat angekündigt, noch in diesem Jahr nachzuziehen.

Dann kann der Bezirk Mitte mal zeigen, dass er die personellen Ressourcen hat, wenigstens die Verweigerer abzuarbeiten. Bisher haben die Mitarbeiter in den Ämtern für soziale Dienste stets überzeugend Überlastung geltend gemacht, wenn etwas schief gegangen war. Woher nun Geld und qualifiziertes Personal für flächendeckende Hausbesuche kommen sollen, bleibt das Geheimnis von Hamburg Mitte.

99,7 Prozent der Eltern freuten sich auf den ungebetenen Besuch, behauptet der Erfinder des Konzepts. Mag sein. Und 99,7 Prozent der Eltern vernachlässigen vermutlich auch ihre Kinder nicht.

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Jan Kahlcke, war von 1999 bis 2003 erst Volontär und dann Redakteur bei der taz bremen, danach freier Journalist. 2006 kehrte er als Redaktionsleiter zur taz nord in Hamburg zurück

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