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Koalitionsverhandlungen beginnen zeitnahEifrig an den Verhandlungstisch

Schwarz-Gelb steigt in die Koalitionsverhandlungen ein: Union und FDP wollen zuerst über Haushalt und Finanzen reden, sagt Merkel. Auch in den Ländern beginnen die Verhandlungen.

Ordentlich, aber zügig will Schwarz-Gelb an den Verhandlungstisch. Bild: dpa

BERLIN dpa/rtr/ap/taz | Nach dem Sieg von Union und FDP bei der Bundestagswahl bemühen sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und FDP-Chef Guido Westerwelle um einen raschen Regierungswechsel. Die schwarz-gelbe Regierung solle noch vor dem Jahrestag des Mauerfalls am 9. November stehen, sagte Merkel am Montag. Die SPD kündigte nach dem Wahldebakel vom Sonntag eine grundlegende Erneuerung an.

Vorrangig in den Gesprächen mit der FDP sei die Beschäftigung mit dem Haushalt 2010 und der mittelfristigen Finanzplanung. "Wir werden darauf achten, dass wir die Balance der sozialen Marktwirtschaft vernünftig und gut austarieren", sagte Merkel.

Die Union und die FDP kommen nach der Wahl zum 17. Bundestag zusammen auf 332 Mandate und liegen damit deutlich vor Rot-Rot-Grün mit 290 Sitzen. Die Sozialdemokraten hatten das schlechteste Ergebnis in der Nachkriegsgeschichte erzielt. Der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering hat seinen Rücktritt von der Parteispitze am Montag bereits indirekt angekündigt. Auf die Frage von Journalisten, ob er sich darauf einstelle, auf dem SPD-Parteitag im November Abschied zu nehmen, sagte er: "Sie können davon ausgehen, dass sie nahe an der Wahrheit sind mit Ihren Worten."

Der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle sprach sich für "zügige, aber auch gründliche Verhandlungen" zur Bildung der neuen schwarz-gelben Bundesregierung aus. Die FDP werde versuchen, so viel wie möglich von ihrem Programm umzusetzen. FDP-Generalsekretär Dirk Niebel bekräftigte die Pläne seiner Partei für eine Steuerreform. "Wir haben immer nur eine einzige Bedingung gemacht im Wahlkampf: Wir brauchen eine echte Steuerstrukturreform, eine Vereinfachung und Entlastung im Steuersystem", sagte Niebel.

Als Angebot an die Liberalen schlug CDU-Generalsekretär Pofalla unter anderem vor, die sogenannte kalte Progression bei der Besteuerung zurückzunehmen und den Eingangssteuersatz um zwei Prozentpunkte zu senken. Führende CDU-Politiker warnten die FDP vor überzogenen Forderungen. "Die FDP wird in der Koalition, die wir bilden wollen, ein weit kleinerer Partner sein als die SPD. Das heißt: Es wird mehr CDU werden", sagte Baden-Württembergs CDU-Ministerpräsident Günther Oettinger.

Die Grünen kündigten am Montag einen harten Widerstand an für den Fall, dass Schwarz-Gelb den Atomausstieg rückgängig machen sollte. Der Sozialverband VDK fürchtet, dass Rentner und chronisch Kranke unter einer schwarz-gelben Regierung mit Kürzungen rechnen müssten. Wenn diese Koalition Arbeitnehmerrechte infrage stelle, werde es heftige Konflikte geben, kündigte auch Niedersachsens IG-Metall-Bezirkschef Hartmut Meine an. Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Hans-Heinrich Driftmann, forderte von der neuen Regierung hingegen ein "100-Tage-Sofortprogramm" mit Korrekturen an der Unternehmen- und Erbschaftsteuerreform der großen Koalition und mehr Flexibilisierung am Arbeitsmarkt.

Die Ärzte hofften, dass "mit der künftigen Regierung endlich eine neue Vertrauenskultur im Gesundheitswesen begründet wird", erklärte der Präsident der Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich Hoppe. Der Bund der Steuerzahler sieht im Ergebnis der Bundestagswahl einen "guten Tag für die Steuerzahler".

Nach den Landtagswahlen in Brandenburg und Schleswig-Holstein ist die SPD in Brandenburg als stärkste Kraft bestätigt worden und kann sich nun ihre Koalitionspartner aussuchen. SPD-Ministerpräsident Matthias Platzeck bleibt im Amt. Er lade die Linke und die CDU nacheinander zu Sondierungsgesprächen für eine Koalition ein, sagte Platzeck. Beide Gespräche würden gleichberechtigt geführt. In Brandenburg regierte bislang eine Koalition aus SPD und Union.

In Schleswig-Holstein hatten die CDU und die SPD am Sonntag historische Verluste erlitten. CDU und FDP kommen jedoch dank Überhangmandaten auf eine Mehrheit im Landtag, Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) bleibt im Amt.

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