Nach der Großdemo in Berlin: Noch mehr Neonazi-Gewalt

750 Neonazis marschieren durch Berlin, darunter etwa 200 Gewaltbereite aus der Kameradschafts-Szene. Die Szene sei selbstbewusster geworden, sagen Experten.

Neonazistischer "Schwarzer Block". Optisch kaum von Linksautonomen zu unterscheiden. Bild: dpa

BERLIN/HAMBURG taz | Als Reaktion auf einen Brandanschlag auf ein rechtes Szenelokal in Berlin sind am Samstag rund 750 Neonazis durch die Stadt gezogen. Blockaden von Gegendemonstranten wurden von der Polizei aufgelöst, Proteste sowohl von Antifas als auch von Mitgliedern verschiedener Parteien, abgeschirmt.

Zu dem Marsch waren Rechtsextremisten aus dem gesamten Bundesgebiet angereist, darunter rund 200 gewaltbereite Teilnehmer aus der Kameradschaftsszene. 1.000 Polizisten begleiteten den Aufzug, der streckenweise komplett von Polizisten umkesselt verlief.

Die Rechtsextremisten hatten die Demonstration nach einem Brandanschlag auf die rechte Szenekneipe "Zum Henker" am ersten Oktoberwochenende angemeldet, den sie dem linken Spektrum zurechneten. Die Polizei nahm allerdings bereits am Freitag sieben mutmaßliches Täter des Anschlages fest, die die Beamten als unpolitisch einstufen.

Die Polizei geht vielmehr von einem "persönlichen Racheakt" aus. Auslöser sei ein Vorfall am 26. September gewesen: Den sieben Männer zwischen 20 und 42 Jahren sei der Zutritt in das Lokal verweigert worden, sie seien angegriffen und dabei verletzt worden. "Keiner der Tatverdächtigen handelte aus politischer Motivation", so die Polizei. Fünf der Betroffen wurden zunächst wieder frei gelassen. Gegen zwei der Verdächtigen sind Haftbefehle ergangen.

Teilnehmer der Gegendemonstrationen berichten von Racheaufrufen seitens der Rechtsextremisten während des Aufzuges. Der NPD Blog zitiert einen inzwischen gelöschten Twitter-Aufruf der NPD Marburg: "Jetzt noch munter Zeckenjagen in Berlin." Bei der Staatsanwaltschaft Berlin äußerte man sich zunächst zurückhaltend. "Im Moment können wir die Entwicklung noch nicht einschätzen" hieß es am Sonntag gegenüber der taz. Auch ob rechtliche Schritten wegen der Gewaltaufrufe eingeleitet würden, wäre noch nicht abzusehen.

Ein Sprecher der Berliner Polizei betont, das "nicht alle Ermittlungen wegen der Demonstration abgeschlossen" seien: "Wir überprüfen ob Straftaten verübt wurden sind, und wenn ja werden wir die natürlich verfolgen."

"In der Vergangenheit haben Rechtsextreme immer wieder versucht, vermeintliche Übergriffe auf Kameraden zu nutzen, um sich als Opfer zu generieren", sagt der Rechtsextremismusexperte Christian Dornbusch. Er denkt jedoch, dass die Szene von NPD und Kameradschaften sich auch ohne angebliche Übergriffe von Links in den vergangenen Jahren radikalisiert hat. "Die Szene ist selbstbewusster geworden", sagt Dornbusch, "und gewaltbereiter." Schon vor dem Marsch in Berlin hatten Beratungsstellen für Opfer rechter Gewalt beobachtet, das in Ostdeutschland öfter Jugendliche von rechten Tätern angegriffen werden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.